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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Arzt, sie möchte nicht das Gegenteil behaupten, aber er sei
nicht so wie die Leute bei ihr im Süden, und es säßen so viele Kinder in seiner
Sprechstunde, sie fürchte, er hätte nicht genug Zeit, jedes einzelne gründlich
zu behandeln... Ob ich ihr nicht einen anderen Kinderarzt empfehlen könnte...
    Nachdenklich machte sie ein paar Stiche
an dem wattierten seidenen Bettjäckchen, das sie gerade in Arbeit hatte. »Web
will, daß ich im Bett frühstücke. Dann glänzen meine Augen.«
    Ich fragte, wie es Web in der neuen
Filiale seiner Firma gehe.
    »Ich muß sagen, Sie ahnen nicht, was
für ein Glück Sie haben, mit einem Arzt verheiratet zu sein. Wenn etwas
passiert, ist Web nicht zu gebrauchen. Mit seiner Trinkerei ist er die meiste
Zeit nicht zu gebrauchen!«
    Ich merkte, daß das eine der Fallen
war, die eine Frau so gerne der anderen stellt, und ich war entschlossen, ihr
auszuweichen. Wenn ich sagte: Es ist eine Schande, daß Web so viel trinkt! —
würde ich, sowie sie sich mit Web wieder versöhnte, und das war unvermeidlich,
als eine alte Hexe dastehen, die ihn einen Säufer genannt hat. Wenn ich sagte:
Aber Fairy, er trinkt doch gar nicht! — würde sie sich gedemütigt fühlen und
mich für eine kaltschnäuzige Heuchlerin halten.
    »Mit einem Arzt verheiratet zu sein,
ist auch nicht gerade das reinste Vergnügen, glauben Sie mir, meine Liebe! Wenn
mit den Kindern etwas los ist, benimmt sich Jim wie ein Vollidiot. Sie haben
ihn ja heute morgen gesehen. Jeden Schnupfen hält er für den Beginn einer
Kinderlähmung, der kleinste Husten ist bereits eine Lungenentzündung, und ein
Grad Fieber — Hirnhautentzündung!«
    Fairy lachte. »Oh, was Sie da
zusammenreden, Mary! Ich finde ihn wunderbar.«
    Ich bat sie, mich nicht mißzuverstehen,
ich hielte Jim für einen glänzenden Arzt und prächtigen Menschen. Er habe
eigentlich keine Fehler, jedenfalls könne ich mich im Augenblick auf keine
besinnen, aber er sei so verrückt mit den Kindern, daß er vor Angst zittere,
wenn sie krank werden. Eine gewöhnliche Erkältung kann so viele schreckliche
Krankheiten einleiten — Kinderlähmung — Scharlach — Diphtherie, Ich bilde mir
ein, in solchen Augenblicken würde der Arzt viel darum geben, wenn er ein
Krankheitssymptom nicht vom Rigor Mortis unterscheiden könnte.
    Fairy blickte nachdenklich ins Feuer.
»Jim scheint nicht viel zu trinken — ist er jemals beduselt?«
    »Nein. Aber er hat nicht etwa
moralische Hemmungen. Alkohol bekommt ihm nicht besonders, und als Arzt muß er
immer auf dem Sprung sein, einen Krankenbesuch zu machen.«
    »Das freut mich. Sie wissen, daß Web
sagt, wenn ihm je ein Arzt ins Haus kommt, der nach Alkohol riecht, wirft er
ihn hinaus.«
    Mit Mühe unterdrückte ich die
Bemerkung: Er hat’s nötig! und sagte, Jim begnüge sich mit einem Cocktail vor
dem Essen, und auch das nur gelegentlich, und ich hätte bemerkt, daß die
meisten Ärzte sich ziemlich streng an diese Regel halten. Dann fügte ich hinzu:
»Sie sehen zu oft, wie schädlich der Alkohol ist. Sie wissen, daß mit der Zeit
das Kleinhirn zerstört wird. Wahrscheinlich färbt das auf ihre Einstellung ab.«
    Sie nickte mit nachdenklicher Miene.
»Ja, ich muß leider sagen, Web trinkt zu viel. Ich mache mir schreckliche
Sorgen. Er ist nie richtig betrunken — alle Trimbulls sind geübte Trinker und
verlieren nie die Haltung, aber ehrlich gesagt, was er mir alles an den Kopf
wirft, wenn er getrunken hat — Sie würden entsetzt sein! Gestern abend zum
Beispiel — «
    Ich unterbrach sie, da ich entschlossen
war, mir diese Beichte nicht anzuhören: »Er ist bestimmt vernarrt in Sie,
kleine Fee, und das kann ich ihm nicht verdenken.«
    »Es wäre zu erwarten — ich habe ihn
lange genug zappeln lassen. Oh, ich hatte schon immer die Absicht, ihn zu
heiraten — schon als kleines Mädchen — und als ich ihn dann nahm, waren meine
anderen Verehrer sehr betrübt.« Sie senkte die Stimme und machte große Augen.
»Wissen Sie, der eine hat sich ertränkt, und der andere hat sich erschossen.
Ich wagte es niemandem zu sagen, aber beiden hatte ich den Korb gegeben.« Sie
stand auf und zündete sich eine Zigarette an. »Fühlen Sie sich nicht
schrecklich einsam, wenn Jim abends so oft weg ist?«
    Ich erwiderte ungefähr, daß es
natürlich nicht schön sei und es mir lieber wäre, er würde nicht so viele
Zusammenkünfte besuchen. Wenn es nach mir ginge, würde ich ihn mit Handschellen
an mich fesseln, aber das hängt mit seinem Beruf

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