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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Pionierfrauen
hätten es geschafft, also würde auch ich es schaffen.
    Als Jim schließlich weich wurde, war
ich bereits so tapfer und unternehmungslustig, daß ich imstande gewesen wäre,
mutterseelenallein mit einem Messer im Mund und die Kinder auf dem Rücken
geschnallt die Olympic Mountains zu besteigen.
     
    Am Abend vor unserer Abreise, als sich
die unbedingt notwendigen Ausrüstungsgegenstände in der Flurhalle zu häufen begannen,
überlegte ich mir, wie wir den vielen Kram ins Lager schaffen sollten, ohne
eine Reihe von Güterwagen zu Hilfe zu nehmen. Jim, der mir mißmutig zur Hand
ging, steuerte zwei pelzgefütterte Eskimojacken, vier Rollangeln, zwei
Wurfangeln und zwei große Kisten mit Angelgerät bei. Drei Kinderbettchen, drei
Kinderstühle, ein Laufgitter, ein Klosettstühlchen, sechs Koffer, vier Kisten
mit Konserven für die Kinder, zwei Kisten mit Dosenmilch — Jim wollte nicht,
daß die Kinder frische Milch bekämen, von nichtpasteurisierter Milch könne man
allzuleicht die Papageienkrankheit kriegen. Dann holte er sechs Dosen Lachs und
zwölf Dosen Alsenkaviar aus der Küche — »Für den Fall, daß wir keine Fische
fangen!« — und musterte das Gebirge.
    »Wo ist dein Arzneikasten?«
    Ich zeigte auf ein kleines
Erste-Hilfe-Kästchen des Roten Kreuzes, das neben einem Berg Windeln lag. Er
öffnete es und warf einen Blick hinein. »Unzulänglich!« Er ging wieder nach
oben.
    Dann kehrte er mit einer großen grünen
Blechschachtel zurück, die Gentianaviolett enthielt, Novocainampullen, drei
Sorten Brandsalbe — die natürlich, wie er hinzufügte, überflüssig seien — ,
Operationsnadeln, Catgut und Scheren, sterilisierte Watte — »Taugt natürlich
gar nichts!« — mehrere Ampullen mit Amylnitrit, Seconal, Phenobarbital,
Nembutal, eine Ampulle mit einem halben Gran Kodeintabletten, Hustensirup und
Menthol. Beim Anblick der beiden letzten Medikamente erhellte sich meine Miene,
und ich sagte, ich sei froh, wenigstens zwei Sachen zu sehen, die ich ohne
medizinische Staatsexamen anzuwenden wagen würde; und warum wir denn, da das
Lager ganz in der Nähe sei, einen Vorrat von Arzneimitteln mitschleppen müßten,
der für eine dreijährige Nordpolexpedition reichen würde. Er sagte: »Man weiß
nie, was passieren kann«, und fügte einige Röhrchen mit sterilen Klammern
hinzu, die er aus der Brusttasche holte.
    Inzwischen war die Haustür völlig
verbarrikadiert worden, und um nach oben zu gehen, mußte man von der Tür des
Wohnzimmers aus einen gewaltigen Sprung machen. Abermals musterte er unsere
Ausrüstung und runzelte die Stirn. »Ihr seid wohl alle geimpft — gegen
Starrkrampf und so weiter — wie?«
    »Mhm. Die Kinder sind vor etwa einem
Monat geimpft worden. Ich glaube, ich auch.«
    Er rumorte eine Weile in der ersten
Etage herum und ging dann in die Küche. Ich fuhr fort, meine Liste mit dem
Haufen unentbehrlicher Sachen zu vergleichen. Zum erstenmal fragte ich mich, ob
es anderen Leuten Spaß mache, ihr behagliches Heim und einen angenehmen,
gewohnten Alltag zu verlassen, um sich mit den Strapazen eines Ferienurlaubs
abzuquälen. Ein ganzer Monat! Jim würde mir schrecklich abgehen.
    Er kam in den Flur zurück, nahm meinen
Arm und gab mir eine Spritze. »Gegen Starrkrampf — der Sicherheit halber. Der
Arm wird dir zwei Tage lang weh tun, aber es geht vorbei.«
    Um ein Uhr nachts war ich nicht mehr so
sicher, daß Jim mir abgehen würde. Er hatte soeben drei große, gebundene
Jahrgänge der Archive für Innere Medizin beigesteuert, mit der Bemerkung, er
müsse übers Wochenende was zu lesen haben, und fügte dann gleichmütig hinzu, es
wäre am besten, das Gepäck in zwei Haufen zu teilen, den einen im Auto
mitzunehmen und den anderen einem Spediteur zu übergeben. Dann nahm er eine
Sache nach der anderen zur Hand und sagte: »Warum schleppst du das mit?«
    Um halb drei sprachen wir nicht mehr
miteinander; im Eßzimmer lag der Haufen, den das Lastauto mitnehmen sollte.
Wenn es möglich gewesen wäre, ihn zusammenzupressen, würde er immer noch einen
Güterwaggon ausgefüllt haben. Die Diele und die halbe Treppe waren mit den
Sachen gepflastert, die nach Jims Ansicht im Auto mitgenommen werden sollten.
Auf meine erbitterte Bemerkung hin, es sei jammerschade, daß wir nicht auch
noch einen kleinen alten Operationswagen unterbringen könnten, erwiderte Jim,
wenn eine größere Operation nötig sein würde, könnten wir ja nach Hause fahren,
ich müsse schon recht müde sein, und wie

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