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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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segeln sehe oder die erstaunliche Geschichte lese, wie
sie einmal Salt Lake City von den Heuschrecken gerettet haben, seien sie viel
netter, als wenn man ihnen nahe kommt. Ein allzu intimer Umgang mit den Möwen
erschwere es einem, ihren schönen Flug zu bewundern, ohne gleichzeitig an ihr
sinnloses Gezanke zu denken und an die brutale Art, mit der sie ein verwundetes
Mitglied des Schwarmes behandeln.
    Die Sonne ging über den Olympics unter,
färbte die Gipfel rosig und tauchte die Vorberge in ein tiefes Purpurrot. Alle
Konturen waren weicher; schmale, rosiggelbe Nebelbänder umschwebten langsam die
Inseln, und am Himmel bildeten die Möwen einen silberglänzenden Pfeil. Am Rande
des Wassers stand ein Taucher auf einem Bein, und als ich seinen unheimlichen,
klagenden Schrei hörte, wünschte ich mir erst recht, Jim wäre hier und würde
mit mir zusammen am Strand entlanggehen. Gereizt stieß ich mit dem Fuß gegen
einen Baumstamm, der Taucher flog auf und kreiste dicht über dem Wasser; die kleinen
Wellen mit den rosa Schaumkämmen schienen nach ihm zu haschen. Wenn man ohne
seinen Mann mit drei kleinen Kindern am Strand Ferien macht, muß man, falls man
es überlebt, mit der Zeit genauso trübsinnig werden wie der einsame Taucher.
Ich beschloß, die Waffen zu strecken. Ich würde Jim bitten, nach Hause kommen
zu dürfen!
    Im Laden in Hainesville wimmelte es von
Fischern, die den Fang des heutigen Tages erörterten, kichernden Halbwüchsigen,
die an der Theke saßen und Limonade tranken, und etlichen Leidensgenossinnen,
erschöpften Urlaubsmüttern, die ihre Einkäufe machten, nachdem sie die Kinder
endlich zu Bett gebracht hatten. Als ich das letzte Mal Jim angerufen hatte,
war ich Sallys wegen so aufgeregt gewesen, daß mir die atemlose Stille, die ein
Ferngespräch zu begleiten pflegt, nicht auffiel. Ich sagte: »Jim, darf ich nach
Hause kommen?«
    »Ist etwas passiert?« fragte er prompt.
    »Nein.« Ich betrachtete die
Menschenmasse, die mit offenen Mündern zuhörte, verwarf meinen ursprünglichen
Plan, Jim von dem herrlichen Sonnenuntergang zu erzählen, und wie sehr ich mich
bei diesem schönen Anblick nach ihm gesehnt hätte, und schilderte ihm dafür in
den grausigsten Tönen die Flecken auf den Bäuchen der Kinder. Sofort setzte
unter den Urlaubsmüttern ein unruhiges Raunen ein. Flecken! Ansteckend? Sie
hörten auf, mit den Tüten zu rascheln, und spitzten die Ohren, damit ihnen kein
Wort des Gespräches entgehe. »Bring etwas Zinksalbe mit — «, sagte ich
zerstreut und hängte ab.
    Als Jim am nächsten Abend ankam, hatten
sich die Pünktchen zu großen, mit Mekkabalsam eingeschmierten, grellroten
Flecken entwickelt, und die Kinder kratzten sich unaufhörlich. Wir liefen Jim
alle entgegen. Als er Mari aufhob, um ihr einen Kuß zu geben, musterte er
sorgfältig ihr Gesicht. »Impetigo!« sagte er. »Wo haben sie das bloß her?« Ich
erinnerte mich an Webs und Winkys fleckige Gesichter... ›Es ist nur ein
Hitzeausschlag — da braucht man den Arzt nicht zu rufen — bei uns im Süden
haben das alle Kinder den ganzen Sommer lang — den Ausschlag und die
Sommerkrankheit.‹ — Großpapa zwinkerte mir zu, schüttelte lächelnd den Kopf und
sagte: »Viele Kinder im Diabetikerlager...!«
    Jim untersuchte Sally und Heidi. »Ja,
es ist Impetigo. Wo hast du den Arzneikasten?«
    Wir gingen ins Haus und beschmierten
die Kinder von Kopf bis Fuß mit Gentianaviolett. Meine netten, runden, braunen
Töchter waren jetzt von einem fleckigen Purpurrot und sahen aus wie die
Bettelkinder an der Soochow Road. Ich verließ die Küche. Jim kam hinterher und
reichte mir einen zerknüllten Brief. »Für dich! Kam vor zwei Tagen. Von Edith!«
     
    ›Liebe
Mary!
    Der Kongreß empfiehlt, die Werbung für
die Sammelkampagne einer bezahlten Agentur zu übergeben. Möchtest du den
Vorsitz des Telefonkomitees übernehmen?
    Ich
hoffe, es gefällt dir am Strand.
    Grüße
    Edith.‹
    Ich warf den Brief auf den Tisch und
fing zu heulen an.
    Jim legte den Arm um mich. »Weißt du,
ich habe entdeckt, es läßt sich besser studieren, wenn du da bist und mich alle
Augenblicke unterbrichst. Möchtest du morgen abend mit nach Hause kommen?«
     
     
     
    12

Spezifische
Reaktionen
     
    Wenn es sich als nötig erweist, einen
Umbau vorzunehmen, lassen gewöhnliche Menschen einen Architekten kommen, der Architekt
läßt einen Baumeister kommen, und der Baumeister läßt die Rohrleger,
Elektriker, Anstreicher und sonstigen Arbeiter kommen, die

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