Seuchenschiff
wollte die Hoffnung noch nicht aufgeben.
»Vielen Dank, dass Sie sich so lange mit mir unterhalten haben«, sagte Kevin, während er seinen Laptop wieder einpackte.
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen eine große Hilfe war.«
»Doch. Sie waren ganz toll. Danke.«
Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Sie hatte wieder die Ausstrahlung, von der das Kinopublikum auf der ganzen Welt so oft gefesselt wurde. Verschwunden waren die Spuren der Exzesse der vergangenen Nacht. Kevin hatte ihrem Gesicht jene kunstvolle Mischung aus Unschuld und Sexappeal zurückgegeben. Die Traurigkeit in ihren Augen hatte er jedoch nicht verdecken können. Sie war ein Teil von ihr.
23
Für den Flug zu den Philippinen hatten Cabrillo und Franklin Lincoln knapp über vierzehn Stunden gebraucht. Von der Hauptstadt, Manila, nach Tubigon auf Bohol Island zu gelangen, mitten in dem über siebentausend Inseln zählenden Archipel, dauerte fast genauso lange, obwohl die Entfernung kaum mehr als knapp fünfhundert Kilometer Luftlinie betrug.
Da sie auf Bohol nicht unbedingt mit einer Fahrgelegenheit rechnen konnten, waren sie gezwungen gewesen, zuerst zur nahegelegenen Insel Cebu zu fliegen, dort einen robusten, wenn auch betagten Jeep zu mieten und mit der Fähre die Straße von Bohol zu überqueren. Linc hatte gemeint, dass die Fähre schon so alt war, dass die Reifen, die als Fender über die verrostete Reling herabhingen, eigentlich Weißwandreifen hätten sein müssen. Das Boot hatte eine deutliche Schlagseite nach Steuerbord, obgleich es aus diesem Grund auf der Backbordseite schwerer beladen war. Jeder Gedanke an Schlaf wurde durch den Sattelschlepper vertrieben, der direkt neben ihrem Jeep vertäut und mit Schweinen beladen war, die sogar in diesen abgeschirmten Gewässern unter Seekrankheit litten. Der Gestank und ihr Gequieke reichten aus, um Tote zu wecken.
Zwei Mal stoppten die Maschinen während der Überfahrt. Das erste Mal nur für ein paar Minuten. Das zweite Mal dauerte fast eine Stunde, in der Matrosen unter Anleitung eines wütenden Maschinisten am Motor herumbastelten.
Sich ständig fragen zu müssen, ob sie die Überfahrt wohl überlebten, war eine willkommene Abwechslung für Juan Cabrillo. Es erlaubte ihm, für eine Weile nicht über Max’ Schicksal nachzudenken. Aber als die Maschinen wieder hustend zum Leben erwachten, kehrten seine Gedanken sofort zu seinem Freund zurück. Ihm entging die Ironie der Situation nicht, dass Hanleys Vater während der ersten Monate des Zweiten Weltkriegs beim Kampf um Corregidor Island auf den Philippinen gefallen war.
Juan wusste, dass Max alles Nötige tun würde, um seinen Sohn und die Corporation zu schützen. Der Mann hatte ein Loyalitätsgefühl, auf das ein Bernhardiner stolz sein könnte. Er konnte nur hoffen, dass sie den notwendigen Ansatzpunkt fanden, um Max’ Freilassung zu erreichen. Dabei machte er sich keine Illusionen über die Methoden, die Zelimir Kovac anwenden würde, um sich Informationen zu verschaffen. Und falls Max nicht durchhielt und zu reden begann, wäre sein Leben verwirkt.
Dieser Gedanke rotierte wie eine endlose Tonbandschleife in Cabrillos Bewusstsein.
Als die Lichter von Tubigon endlich auftauchten, summte Juans Satellitentelefon. »Cabrillo.«
»Hi, Juan, hier ist Linda.«
»Schon irgendwas gehört?«
»Nichts von Severance, wenn das deine Frage ist.«
»Verdammt. Ja, das wollte ich wissen.«
Zehn Anrufe beim Chef der Responsivisten, und noch immer nichts. Juan hatte sich als Chef der Sicherheitsfirma gemeldet, die Max engagiert hatte, um seinen Sohn zu retten. Er hatte sich mit der Empfangsdame lange genug unterhalten, um zu erfahren, dass sie während ihrer Mittagspause mit besonderer Vorliebe Liebesromane las. Sie hatte sich jedes Mal, wenn er anrief, entschuldigt und erklärt, dass Severance nicht erreichbar sei, und ihn auf den Anrufbeantworter geschaltet. Juan hatte jede Belohnung angeboten, die Severance für Max’ Freilassung hätte fordern können, und als das immer noch keine Reaktion auslöste, hatte er angefangen zu drohen. Bei seinem letzten Anruf hatte er Severance gewarnt, er werde sich seine Familie vornehmen, wenn Max nicht unversehrt freigelassen würde.
Es war, dank Langston Overholt, eine leere Drohung, aber das wusste Severance ja nicht. Wie es schien, war es ihm auch gleichgültig.
»Was ist los?«, fragte Cabrillo.
»Kevin war soeben bei Donna Sky. Sie weiß nichts.«
»Ist er ganz sicher?«
»Sie haben sich eine
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