Seuchenschiff
zuschicken zu lassen, und das Hybridauto stand in einer Lagerhalle in L. A. Er schätzte die Freiheit, all diese Dinge tun zu können, nur um einiges höher ein als früher.
»Hey, es tut mir unendlich leid«, sagte Gwen in das Schweigen, das sich allmählich dehnte. »Ich schenke all diesen Dingen nicht allzu viel Aufmerksamkeit.«
»Ich habe es auch nicht getan, aber jetzt …« Seine Stimme versiegte, und er zuckte die Achseln. Er spürte, dass er ihr Unbehagen bereitete. Vielleicht hatte er sich doch mehr verändert, als ihm bewusst war.
Plötzlich wurde die Wohnwagentür aufgerissen. Auf den Interviewplätzen morgendlicher Talkshows oder auf dem roten Teppich einer Filmpremiere war Donna Sky eine strahlende Erscheinung, die jeden Saal füllen konnte. Sie war das Sinnbild für Stil, Ausstrahlung und Eleganz. Als sie aber in den Schminkwagen stürmte, die Haare unter einer Baseballmütze versteckt und ohne Make-up, das die heftige Akne verborgen hätte, sah sie wie eine vernachlässigte Endzwanzigerin aus, mit einem Komplex und übertriebenem Geltungsbedürfnis. Ihre Augen waren blutunterlaufen und mit dunklen Ringen umgeben, und quer durch den Raum konnte Kevin die Nachwirkungen des Trinkgelages der vergangenen Nacht noch deutlich riechen.
»Wer zum Teufel sind Sie, und was haben Sie hier zu suchen?«, wollte sie in scharfem Ton von Nixon wissen. Ihre sonst so ausdrucksvolle Stimme klang wegen eines offensichtlichen Katers ganz brüchig. Dann hielt sie inne, betrachtete ihn eingehend und erkannte ihn schließlich. »Sie sind doch Kevin Nixon, nicht wahr? Sie waren mein Maskenbildner bei
Family Jewels.
«
»Das war Ihr großer Durchbruch, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Kevin und erhob sich.
»Der wäre sowieso irgendwann gekommen«, sagte Donna mit einem überheblichen Grinsen. Sie ließ sich auf den Stuhl fallen, den Kevin gerade freigemacht hatte, und schaute über die Schulter zu Gwen hinüber. »Tu was gegen diese Säcke unter meinen Augen, ja? Ich brauche zwar für ein paar Stunden nicht vor die Kamera, aber ich kann es trotzdem nicht ertragen, so auszusehen.«
Kevin wollte ihr sagen, sie hätte eben nicht durch die Clubs ziehen sollen, verbiss sich aber diese Bemerkung.
Gwen schickte Kevin einen wissenden Blick. »Klar doch, Liebes. Was immer Sie wünschen.«
»Arbeiten Sie jetzt bei diesem Film mit?«, wollte Donna von Nixon wissen, während sich Gwen mit ihren Pinseln und Eyelinern an die Arbeit machte.
»Eigentlich nicht. Ich bin hergekommen, um mit Ihnen zu reden, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Sie seufzte theatralisch und meinte dann: »Zur Hölle. Aber was wollen Sie von mir?«
Kevin nickte Gwen zu. Sie verstand sofort. »Donna, Liebes, warum lassen Sie Kevin nicht Ihr Make-up machen? Dann könnt ihr euch beide in Ruhe unterhalten.«
»Gut –«
Nixon formte mit dem Mund stumm ein
Dankeschön,
während Gwen zur Seite trat und ihm einen Pinsel reichte. Er wartete, bis sie den Wohnwagen verlassen hatte, ehe er mit seiner Arbeit begann. »Ich möchte mit Ihnen über Thom Severance und die Responsivisten sprechen.«
Donna Sky spannte sich augenblicklich an. »Tut mir leid, aber dieses Thema ist tabu.«
»Es ist wichtig. Möglicherweise stehen Menschenleben auf dem Spiel.«
»Ich will nicht darüber reden, okay? Wenn Sie etwas über meine Karriere oder mein Liebesleben wissen wollen, nur zu. Aber ich diskutiere mit niemandem mehr über den Responsivismus.«
»Warum?«
»Ich tue es einfach nicht mehr.«
Kevin versuchte, sich an alles zu erinnern, was ihm Linda während der letzten vierundzwanzig Stunden über Verhörtechniken beigebracht hatte. »Vor etwa einer Woche ist ein Schiff, das von den Responsivisten gechartert wurde, im Indischen Ozean gesunken.«
»Ich weiß. Ich habe es in den Nachrichten gesehen. Es heißt, es sei von einer Welle getroffen worden. Sie hatten einen besonderen Namen dafür.«
»Monsterwelle«, sagte Kevin. »Sie werden Monsterwellen genannt.«
»Richtig. Das Schiff wurde von einer Monsterwelle getroffen.«
Kevin holte einen schlanken Laptop aus dem Rucksack, den er bei sich hatte, und stellte ihn auf die Ablage, nachdem er Gwens Schminksachen zur Seite geschoben hatte. Nach wenigen Sekunden hatte er die Datei gefunden, die er suchte.
Die Qualität des Videos war schlecht, weil das Licht für die Kamera, die Mark Murphy an Bord der
Golden Dawn
benutzt hatte, nicht ausreichte, aber man konnte trotzdem deutlich die entsetzten Mienen der toten
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