Seuchenschiff
Brückenmannschaft und die Unmengen von Blut auf dem Deck erkennen. Er ließ das Video etwa fünf Minuten lang laufen.
»Was war das? Ein Film, an dem Sie arbeiten?«
»Das wurde an Bord der
Golden Dawn
aufgenommen. Jeder Passagier und Angestellte an Bord fand den Tod, nachdem er mit etwas vergiftet wurde, das so schnell wirkte, dass niemand Zeit hatte, per Funk um Hilfe zu rufen.« Er fand ein weiteres Video. Dies war von der Kamera der
Oregon
aufgenommen worden und zeigte das sinkende Schiff. Sein Name war deutlich zu erkennen, als der Suchscheinwerfer über den Bug glitt.
Donna Sky war sichtlich verwirrt. »Wer hat das aufgenommen, und warum wurde es den Medien nicht gemeldet?«
»Ich kann Ihnen nicht sagen, wer die Aufnahme gemacht hat, aber es wurde nicht veröffentlicht, weil es ein Terroristenangriff war und die Behörden nicht wollten, dass die Terroristen erfahren, was wir wissen.«
Sie verblüffte ihn, denn sie hatte sehr wohl bemerkt, dass er »wir« gesagt hatte. »Sind Sie so etwas wie … ich meine, arbeiten Sie für …?«
»Diese Frage kann ich nicht direkt beantworten, aber die Tatsache, dass ich über dieses Video verfüge, sollte Ihnen eigentlich genug verraten.«
»Warum zeigen Sie mir das? Ich habe mit Terrorismus nichts im Sinn.«
»Ihr Name tauchte während der Ermittlungen auf, und die gefundenen Beweise deuten darauf hin, dass Elemente innerhalb der Responsivismus-Bewegung für diesen Angriff verantwortlich sind.« Er sagte das so behutsam wie möglich, und entweder glaubte sie ihm, oder sie ließ ihn durch Sicherheitskräfte vom Set entfernen.
Ihr Ebenbild starrte ihn aus dem Spiegel an. Kevin hatte sich Zeit seines Lebens damit beschäftigt, Gesichter zu bedecken und sie zu verändern, nicht aber, in ihnen zu lesen. Er hatte keine Ahnung, was sie dachte. Er fragte sich, wie er wohl reagieren würde, wenn ihm jemand erzählte, dass sein Priester ein Terrorist sei.
»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, Sie haben diese Videosequenzen hergestellt, um Thom und Heidi zu diskreditieren.«
Zumindest hat sie mich nicht rauswerfen lassen, dachte Kevin. Er fragte: »Warum sollte ich das tun? Welches Motiv sollte ich haben, diese Videos zu fälschen und über den halben Erdball zu reisen, um sie Ihnen zu zeigen?«
»Woher soll ich wissen, was Sie denken?«, fauchte Donna.
»Bitte, denken Sie nach. Wenn mein Ziel darin bestünde, dem Responsivismus zu schaden, würde ich so etwas dann nicht besser CNN oder Fox anbieten?« Als sie nichts darauf erwiderte, fragte Kevin nach ihrer ehrlichen Antwort.
»Ja, wahrscheinlich.«
»Da ich das aber nicht getan habe, muss ich ein anderes Ziel verfolgen, richtig?«
»Schon möglich«, gab sie zu.
»Warum kann es dann nicht sein, dass ich die Wahrheit sage?«
»Responsivisten halten nichts von Gewalt. Dies kann unmöglich ein Mitglied unserer Gemeinschaft getan haben. Wahrscheinlich war es eine Bande militanter Abtreibungsgegner.«
»Miss Sky, Sie können mir glauben, wenn ich Ihnen versichere, dass wir auf der Suche nach den Verantwortlichen jede bekannte Gruppierung auf der Welt überprüft haben. Alles aber weist auf die Responsivisten hin. Und ich meine nicht deren Führung oder überzeugte Anhängerschaft.« Kevin geriet jetzt in Fahrt, und die Lügen perlten ihm locker über die Lippen. »Wir glauben, dass es eine Splittergruppe gibt, die diese entsetzliche Tat begangen hat und wahrscheinlich weitere Attacken plant.
Sie und ich wissen, dass es Leute gibt, die ihre Überzeugungen mit allen Mitteln durchsetzen wollen. Und ich denke, dass wir es genau damit zu tun haben: mit Extremisten innerhalb Ihrer Organisation. Wenn Sie Ihren Freunden helfen wollen, müssen Sie mir alles erzählen, was Sie wissen.«
»Okay«, sagte sie kleinlaut.
Sie unterhielten sich ungefähr eine Stunde lang, ehe Gwen zurückkam. In ihrer Begleitung befanden sich mehrere Komparsen, die für die nächsten Szenen geschminkt werden mussten. Am Ende war Kevin überzeugt, dass Donna Sky absolut nichts von dem wusste, auf das die Corporation gestoßen war. Außerdem hatte er das Gefühl, dass sie eine traurige, einsame junge Frau war, die durch ihren Erfolg von der Umwelt isoliert worden war, und dass die Führer der Responsivismus-Bewegung sie aus eben diesem Grund rekrutiert hatten. Er konnte nur hoffen, dass sie eines Tages die Kraft in sich finden würde, ihr Leben allein zu meistern. Er bezweifelte zwar, dass es dazu kommen würde, aber er
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