Seuchenschiff
schwimmen, oder weiter nach der Sauerstofftasche zu suchen.
Er ließ den Lichtstrahl herumwandern und stellte fest, dass sie zu weit nach rechts abgetrieben waren. Also wandte er sich nach links, gefolgt von Linc, und konnte die Blase noch immer nicht entdecken.
Der Geschmack des Scheiterns war ebenso bitter wie das Salzwasser, das gegen seine Lippen drückte. Sein Sauerstoffgenerator hatte nicht funktioniert, und er und Linc würden sterben. Er schickte sich an, mit kräftigen Stößen in Richtung Tunnelausgang zu schwimmen, als er Lincs Hand an seinem linken Fuß spürte. Linc deutete weiter nach links, und als Juan die Lampe auf den Punkt richtete, gewahrte er ein Funkeln wie von einem Spiegel. Sie schwammen darauf zu und ließen Luft aus ihren Lungen strömen, ehe sie vorsichtig nach oben stiegen, um mit den Köpfen nicht gegen die Tunneldecke zu prallen.
Ihnen war völlig egal, dass der Sauerstoff von der exothermen chemischen Reaktion noch warm war und entsetzlich stank. Juan war unendlich stolz auf sich und grinste wie ein Idiot.
»Gute Arbeit, großer Meister.«
Der Sauerstoff reichte für eine dreiminütige Pause. Die Männer füllten gierig ihre Lungen, ehe sie die letzte Etappe ihres Unterwassertrips in Angriff nahmen.
»Wer als Letzter am Ausgang ist, spendiert dem anderen ein Bier, wenn wir wieder zu Hause sind«, sagte Juan, machte noch einen letzten Atemzug, ehe er sich wieder in den Tunnel hinabsinken ließ.
Eine Sekunde später spürte er heftige Turbulenzen im Wasser, als Linc ihm folgte. Nach einer Minute schien es, als sei der Lichtfleck, der den Ausgang markierte, keinen Deut größer geworden. Obgleich die Strömung ihre Bemühungen unterstützte, kamen sie viel zu langsam voran. Als er zwanzig war, konnte Juan fast vier Minuten lang unter Wasser bleiben, aber das Leben in den Jahren danach hatte ihm ziemlich heftig zugesetzt. Drei Minuten und fünfzehn Sekunden war das Beste, was er jetzt noch schaffen konnte, und er wusste, dass Lincs Organismus den Sauerstoff noch viel schneller verbrannte.
Sie schwammen trotzdem weiter und kämpften sich so gut sie konnten durch das kristallklare Wasser. Nach zweieinhalb Minuten war der Höhlenausgang zwar endlich heller geworden, blieb aber trotzdem noch hoffnungslos unerreichbar. Juan verspürte ein Zittern in seiner Kehle, das ihm sagte, er müsse atmen. Fünfzehn Sekunden später verkrampfte sich seine Lunge ohne Vorankündigung, und ein paar Luftblasen drangen über seine Lippen. Sie hatten noch zwanzig qualvolle Meter vor sich. Allein mit seiner Willenskraft schloss er seine Luftröhre, um den Drang seines Körpers, auf der Stelle einzuatmen, zu unterdrücken.
Seine Gedanken gingen auf die Reise, während sein Gehirn die letzten Luftreste verbrannte. Verzweiflung überfiel ihn, und seine Bewegungen wurden zunehmend unkontrollierter. Es war, als hätte er vergessen, wie man schwamm oder auch nur seine Gliedmaßen steuerte. Er war schon früher des Öfteren kurz vor dem Ertrinken gewesen und erkannte die Symptome dieses Zustands, aber es gab nichts, was er dagegen hätte tun können. Der weite Ozean winkte ihm, lockte ihn. Er konnte ihn jedoch nicht erreichen.
Juan hörte auf zu schwimmen und spürte, wie Wasser in seiner Lunge brannte.
Und sofort beschleunigte er wieder. Linc hatte erkannt, in welchen Schwierigkeiten sich Cabrillo befand, und hatte das Rückenteil seines T-Shirts gepackt. Der Ex-SEAL musste genauso verzweifelt nach Luft gieren wie Juan. Doch seine Beine arbeiteten wie die Kolben einer Maschine, und jeder Armzug brachte sie ihrem Ziel näher und näher. Juan hatte noch nie eine im wahrsten Sinne atemberaubendere Demonstration von Entschlossenheit erlebt. Linc ignorierte ganz einfach, dass er ertrank, und schwamm weiter.
Plötzlich wurde das Wasser heller, während sie den Tunnelausgang passierten. Allein von seinem Instinkt gesteuert, brachte Linc sie beide nach oben zur Wasseroberfläche. Keuchend spuckte Juan einen Mundvoll Wasser aus und hustete, wie er meinte, einige Liter aus seiner Lunge heraus. Sie klammerten sich wie Schiffbrüchige an die Uferfelsen, während das Meer sie sanft umspülte. Mehrere Minuten lang brachte keiner der beiden ein Wort hervor, und als sie wieder reden konnten, gab es nichts zu sagen.
Sie würden eine Stunde lang angestrengt klettern und zweieinhalb weitere Stunden wandern müssen, um das ehemalige japanische Kriegsgefangenenlager zu umrunden und zu ihrem versteckten Jeep zu gelangen.
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