Seuchenschiff
Cabrillo hatte die Strapaze im Geiste längst abgehakt, noch ehe sie den oberen Rand der steilen Klippe erreichten. Er dachte einzig und allein an die Bilder, die in seinem Mobiltelefon gespeichert waren. Er wusste nicht warum und weshalb, aber er war sich sicher, dass sie der Beweis waren, den er brauchte, um alle Zweifler zu überzeugen und den Weg für effizientere Maßnahmen freizulegen.
26
Hali Kasim traf Eddie Seng im Fitnessraum der Oregon an. Seng trug die weite Hose eines Kampfsport
-gi,
aber kein Hemd. Schweiß rann an seinem schlanken Körper herab, während er eine Serie von Karatetechniken ausführte und jeden Stoß und Schlag mit einem explosionsartigen Ächzlaut begleitete. Eddie bemerkte Halis Blick und beendete die Serie mit einem aus einer Körperdrehung ausgeführten Fußstoß, der einem NBA-Center den Kopf von den Schultern gerissen hätte.
Er holte ein weißes Frotteehandtuch aus einer Tonne neben einer Universal-Kraftmaschine und trocknete sich den Hals und den Oberkörper ab.
»Ich habe Mist gebaut«, sagte Hali ohne Einleitung. »Nachdem Kevin sich mit Donna Sky unterhalten hat, habe ich mir noch mal das verdammte Tonband vorgenommen und neue Parameter in den Computer eingegeben. Gil Martell hat nicht ›Donna Sky‹ gesagt. Er sagte ›Dawn‹ und ›Sky‹. Ich habe es überprüft: die
Golden Dawn
hat ein Schwesterschiff namens
Golden Sky.
Daraufhin haben Eric und Murph ein wenig herumgesucht und wurden tatsächlich fündig. Die Responsivisten veranstalten in diesem Augenblick an Bord dieses Schiffes eines ihrer Kreuzfahrt-Seminare.«
»Wo genau befindet sich die
Golden Sky
jetzt?«, fragte Eddie.
»Im östlichen Mittelmeer. Sie soll laut Plan heute Nachmittag in Istanbul einlaufen. Anschließend dampft sie weiter nach Kreta.« Ehe Eddie eine entsprechende Frage stellen konnte, fügte Hali hinzu: »Ich habe bereits versucht, Juan zu erreichen. Er antwortet aber nicht.«
Da Juan Cabrillo abwesend war und sich Max noch immer in Zelimir Kovacs Gewalt befand, hatte Eddie das Kommando über das Schiff, und jede Entscheidung fiel in seine Verantwortung.
»Gab es irgendwelche Berichte über Krankheitsfälle auf dem Schiff?«
»Nein, weder in den allgemeinen Nachrichten noch im internen Funkverkehr der Schifffahrtslinie.« Hali las die Frage in Eddies dunklen Augen. »Falls es eine Hilfe ist, Linda, Eric und Mark haben sich freiwillig gemeldet. Sie machen sich bereits marschfertig.«
»Wenn das Schiff von einer chemischen oder biologischen Attacke heimgesucht wird, sind sie genauso in Lebensgefahr wie alle anderen«, gab Eddie zu bedenken.
»Die Gelegenheit ist einfach zu günstig, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen. Wenn wir es schaffen, einige ihrer Leute in unsere Gewalt zu bekommen, dürften die Informationen, die wir unter Umständen aus ihnen herausholen, von unschätzbarem Wert sein.« Damit hatte Hali den zweiten Teil der gefährlichen Gleichung treffend in Worte gefasst.
Risiko gegen Erfolg abzuwägen war eine der schwierigsten militärischen Entscheidungen, denn so oder so – es standen immer Leben auf dem Spiel.
»Sie können mit dem Schlauchboot an Land gebracht werden. Der Jet wartet in Nizza. Tiny kann einen Alarm-Flugplan einreichen, und unsere Leute können in der Türkei sein, wenn die
Golden Sky
eintrifft. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Responsivisten zuschlagen, während das Schiff im Hafen liegt, daher können wir uns zumindest an Bord schleichen und uns umsehen.«
»Okay«, stimmte Eddie zu und hielt Hali kurz auf, als dieser sich zum Gehen umwandte. »Aber unter keinen Umständen sollen sie an Bord bleiben, wenn das Schiff ablegt.«
»Ich gebe es an sie weiter. Wen willst du schicken?«
»Linda und Mark. Eric ist ein hervorragender Navigator, aber Marks Kenntnisse in Waffentechnik sind auf der Suche nach einem chemischen oder biologischen Angriffssystem eher von Vorteil.«
»Du sagst es.«
»Übrigens«, fuhr Eddie fort und hielt Hali ein zweites Mal auf, »wie sieht es eigentlich mit unserem kleinen Lauschangriff aus?«
Eine Stunde vor Sonnenuntergang war die
Matryoshka,
Ivan Kerikovs Luxusjacht, mit Ibn al-Asim und seiner Begleitung an Bord aus dem Hafen von Monte Carlo ausgelaufen. Al-Asim war ein aufstrebender saudischer Finanzier, der begonnen hatte, Geld in radikale islamische Schulen und einige kleinere Terrorgruppen zu pumpen mit dem Fernziel, sich mit der Al-Qaida zu verbünden. Die CIA interessierte sich brennend für ihn und sein
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