Seuchenschiff
meinen Freunden abzusetzen, die geklaut haben, was das Zeug hielt.«
»Das wäre wirklich ein netter Tausch. Von einem Hexenkessel namens Straße …«, meinte Eddie grinsend.
»… direkt in ein iranisches Gefängnis.«
3
Die Jahre bei der CIA hatten Juan darauf trainiert, über längere Zeiträume hinweg mit sehr wenig Schlaf auszukommen. Erst nach Gründung der Corporation aber entwickelte er die seemännische Fähigkeit, auf Kommando zu schlafen. Nach der Konferenz war er in seine Kabine, eine luxuriöse Suite, die eher einem Apartment in Manhattan glich, zurückgekehrt, hatte sein Kapitän-Esteban-Kostüm ausgezogen und war ins Bett gefallen. Gedanken an die Gefahr, der sein Team ausgesetzt wäre, sobald es an Land gegangen wäre, hielten ihn noch für weniger als eine Minute wach.
Da er keinen Wecker brauchte, wachte er eine Stunde, bevor er im Moon Pool erscheinen musste, auf.
Sein Schlaf war traumlos gewesen.
Er ging ins Badezimmer, ließ sich auf einen Mahagonihocker sinken, um seine Beinprothese abzunehmen, und hüpfte in die Dusche. Dank eines ständig vorhandenen Überschusses an elektrischem Strom gewährleistete das Warmwasserversorgungssystem der
Oregon,
dass sich die Verzögerung zwischen dem Aufdrehen des Wasserhahns und dem Ausströmen dampfenden Duschwassers nur nach Sekunden bemaß. Cabrillo stellte sich mit gesenktem Kopf unter den Duschstrahl und genoss die heißen Nadelstiche, mit denen das Wasser seinen Körper massierte. Er hatte im Laufe der Jahre zahlreiche Narben eingesammelt und erinnerte sich noch lebhaft an die jeweiligen Umstände, unter denen er sie sich zugezogen hatte. An die glatte Fläche seines Beinstumpfs dachte er dabei am wenigsten.
Für die meisten Menschen wäre der Verlust einer Gliedmaße ein entscheidender Augenblick in ihrem Leben gewesen. Und während der langen Monate seiner Genesung hatte auch Juan es so empfunden. Aber danach verschwendete er kaum noch einen Gedanken daran. Er hatte seinen Körper darauf trainiert, die Prothese widerspruchslos anzunehmen – und seinen Geist, sie zu ignorieren. Wie er Dr. Huxley zu Beginn seines physiotherapeutischen Übungsprogramms einmal erklärte: »Ich mag zwar ein Krüppel sein, aber ich lasse es nicht zu, mich als behindert zu betrachten.«
Die Prothese, die er tagsüber getragen hatte, war wie ein menschliches Bein konstruiert. Sie war mit fleischfarbenem Gummi umhüllt, der die gleiche Farbe hatte wie seine eigene Haut, und sie besaß einen Fuß mit Zehen, die so mit Nägeln und Haaren versehen waren, dass der rechte von seinem linken Fuß kaum zu unterscheiden war. Nachdem er sich abgetrocknet und endlich seinen mittlerweile unangenehm juckenden Bart abrasiert hatte, hüpfte er zu seinem Schrank, um eine völlig andere Prothese herauszuholen.
Es gab eine Abteilung auf der
Oregon,
die allgemein als »Zauberladen« bezeichnet wurde. Geleitet wurde sie von einem – auch schon mit einem Oscar für Spezialeffekte ausgezeichneten – Genie namens Kevin Nixon. Dieser Nixon war es gewesen, der in aller Heimlichkeit das entwickelt hatte, was Juan sein Kampfbein nannte. Im Gegensatz zu der lebensecht wirkenden Prothese sah dieses Bein wie ein Überbleibsel aus den Terminator-Filmen aus. Hergestellt aus Titan, hielt Kampfbein Version 3.0 ein regelrechtes Waffenarsenal bereit. Im Unterschenkel versteckt befanden sich eine Kel-Tek .380-Pistole sowie ein perfekt ausbalanciertes Wurfmesser. Das Bein enthielt außerdem einen Würgedraht, eine einschüssige Kaliber .50-Pistole, die durch die Ferse schoss, sowie Aufbewahrungsmöglichkeiten für alle Arten von technischer Ausrüstung, die Cabrillo bei einem Einsatz nötig haben könnte.
Während er die Prothese über seinen Beinstumpf zog und sie mit Haltegurten befestigte, fand Juan Gelegenheit, sich geistig auf die bevorstehende Mission einzustimmen.
Es gab zwei Gründe, aus denen er die Corporation aufgebaut hatte. Der eine war natürlich jener, dass es ein profitorientiertes Unternehmen war. Und in dieser Hinsicht hatte es sich besser entwickelt, als er in seinen wildesten Träumen erwartet hätte. Jedes Mitglied konnte sich mit dem, was es in den Jahren seit seinem Beitritt verdient hatte, getrost zur Ruhe setzen, und Cabrillo selbst hätte sich eine kleine Insel der Karibik kaufen können, wenn ihm danach der Sinn gestanden hätte. Aber es war der zweite Grund, eine eigene Sicherheitstruppe zu formieren, der ihn noch aktiv sein ließ, wenn jeder normale Mensch in diesem
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