Seuchenschiff
die er für richtig hielt. Aber etwas Derartiges würde er niemals von seinen Leuten verlangen.
Und wie bei den paar Gelegenheiten vorher hatte niemand an Bord dieses Angebot genutzt. Sie würden Cabrillo bis in die Hölle folgen. So stolz er auf das technische Kleinod war, das die
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darstellte, so sehr verblasste dieses Gefühl gegenüber dem, was er für seine Mannschaft empfand.
Sie mochten Söldner sein, aber sie waren gleichzeitig die feinsten Menschen, mit denen er je zusammengearbeitet hatte. Und während sie im Laufe der Jahre ein Vermögen aufgehäuft hatten, war es eine unausgesprochene Vereinbarung unter ihnen, dass sie ihr Leben immer wieder aus den gleichen Gründen in die Waagschale warfen, aus denen sie jahrelang im Dienst der Regierung gestanden hatten. Sie taten es, weil die Welt von Tag zu Tag gefährlicher wurde, und wenn niemand sonst aufstand, um dem entgegenzutreten, so würden eben sie es tun müssen.
Das Schiff stürmte nach Norden, nachdem es den Engpass bei Bab el Mandeb – dem Tor der Tränen –, das Jemen von dem afrikanischen Staat Dschibuti trennte, passiert hatte. Sie befanden sich im Roten Meer, und Cabrillo hatte den Atlas Marine Services, der ägyptischen Firma, die den Suez Kanal betrieb, genügend Gefallen getan, dass dafür gesorgt wurde, sein Schiff schon am nächsten Morgen zu dem Konvoi hinzuzufügen, der den Kanal nach Norden passierte.
Sie würden an die elf Stunden brauchen, um die hundertsechzig Kilometer von Suez bis nach Port Said zurückzulegen, aber sobald der Kanal hinter ihnen lag, war ihr Ziel nur noch einen Tag entfernt.
Angesichts der hohen Anzahl von Schiffen, die in den Suez Kanal wollten oder ihn verließen, herrschte auf den Schifffahrtsrouten im Roten Meer dichter Verkehr. Um bei den passierenden Schiffen keinen Verdacht zu erwecken, hatte Juan eine Ruderwache auf der Kommandobrücke postiert, obwohl die
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vom unter Deck gelegenen Operationszentrum aus gesteuert wurde.
Er hielt sich gerade auf der Brücke auf und beaufsichtigte die Vorbereitungen, um am Morgen einen Kanallotsen aufzunehmen. Sandstürme verdunkelten den westlichen Himmel über Afrika. Die hinter siennafarbenen Wolken untergehende Sonne tauchte die Kommandobrücke in ein unwirkliches Licht. Die Temperatur rangierte bei fast dreißig Grad und würde nicht merklich sinken, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwunden wäre.
»Was für ein Anblick«, meinte Julia Huxley, als sie durch eine Geheimtür in den Kartenraum im hinteren Teil des Ruderhauses trat. Als sie auf den Sturm in der Ferne hinausblickte, verlieh der rötliche Himmel ihrem Gesicht die Farbe eines Prärieindianers. Das schmeichelnde Licht half ihr, ihre Erschöpfung und Müdigkeit zu kaschieren.
»Wie geht es unserer Patientin?«, fragte Cabrillo, während er eine zerknitterte Landkarte auf einem alten ramponierten Tisch auseinanderfaltete.
»Eigentlich müsste es ihr gut gehen«, erwiderte Julia. »Wenn sie morgen früh noch immer keine Symptome zeigt, entlasse ich sie aus der Quarantäne. Und wie fühlst du dich?«
»Bei mir gab es nichts, was eine heiße Dusche und ein wenig Schlaf nicht hätten wieder in Ordnung bringen können.« Juan benutzte Schreinerschraubklemmen, um die Landkarte auf dem Tisch zu fixieren, da die normalerweise am Tisch befestigten Klammern absichtlich abgebrochen worden waren, um die
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so heruntergekommen wie möglich erscheinen zu lassen. Wenn es darum ging, die wahre Natur seines Schiffes zu verbergen, war für Cabrillos kritisches Auge kein Detail zu gering und unbedeutend. »Hast du mehr über ihre Erlebnisse erfahren können?«
»Linda stellt soeben einen Bericht mit allem zusammen, was wir bisher zusammentragen konnten. Dazu gehören nicht nur meine Notizen, sondern auch das, was Mark und Eric herausbekommen haben. Als ich das letzte Mal mit ihr sprach, meinte sie, der Bericht müsste in einer halben Stunde fertig sein.«
Juan schaute auf die Uhr, ohne dabei eigentlich auf die Zeit zu achten. »Ich hätte erst in ein paar Stunden damit gerechnet.«
»Murph und Stoney sind motivierter als sonst.«
»Lass mich raten: Sie wollen bei Miss Dahl mit ihren detektivischen Fähigkeiten Eindruck schinden.«
Julia nickte. »Ich nenne sie nur noch die Intellibidos Inc.«
Es dauerte einen Moment, bis er den Scherz begriff, dann lachte Juan. »Das passt zu den beiden wie die Faust aufs Auge.«
Als Julia lächelte, kräuselte sich ihre Nase wie die eines amüsierten Kindes.
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