Sevenheart (1) - Gefährliche Zeiten (German Edition)
geh ihn suchen. Bis nachher“
Bevor ich ging, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und drückte meinem Vater einen Kuss auf die Wange.
Draußen ließ mich der Ausblick auf unseren Wald die gewohnte Freiheit fühlen. Sie legte sich wie sanfte Flügel an meine Schulterblätter, durchflutete meine Lungen und ließ mein Herz schneller schlagen. Es war der Grund, weshalb ich diesen Ort mehr als alles andere liebte.
„Gebbie!“
Die Stimme meines besten Freundes drang so laut und deutlich zu mir, dass ich erschreckt zusammenzuckte.
„Da bist du ja!“
Ich drehte mich zu ihm um. Dann lächelte ich bei seinem Anblick.
Seine blonden, gestuften Haare standen wie immer verwuschelt in alle Himmelsrichtungen. Ich liebte es, wenn seine Haare so aussahen. Sie ließen ihn unbezwungen und natürlich wirken.
„Warum lachst du?“
Seine moosgrünen Augen sahen auf mich herab.
„Nur so“
Ich boxte ihm kameradschaftlich in seinen neuerdings harten Bauch.
„He!“
Er lachte und hielt meine Hand fest.
Einen Moment sah er mich mit einem unerklärlichen Blick an. Dann wurde er wieder ernst, wobei Seth der einzige Mensch in meinem Leben war, dessen gute Laune sich fast nie vertreiben ließ.
„Komm, gehen wir rein“
Er ließ meine Hand los und ich folgte ihm.
Im Flur bemerkte Seth das neue Gemälde von meinem Vater.
„Das ist das Bild, hab ich Recht?“, fragte er und deutete auf die junge Frau.
Ich nickte.
„Das ist die Herrin vom Wolfslauf“
Seth sah mich belustigend an.
Ohne dem Gemälde einen weiteren Moment Beachtung zu schenken, wandte er sich ab und machte sich wieder auf den Weg.
Ich trat einen Schritt näher auf das Bild zu. Die schwarzen Augen waren angsteinflößend, sie schienen wahrhaftig echt. So echt.
Die junge Frau auf dem Bild trug auf ihrer rechten Schulter ein Zeichen. Es war ein Wappenzeichen. Ein nach rechts geöffneter Halbmond, ein Herz und dann wieder ein nach links geöffneter Halbmond. Das war das Zeichen, das sich über jeder einzelnen Tür des Hauses und an allen Eingangstoren befand.
Das Wappenzeichen des Wolfslaufs.
Schließlich riss ich mich von dem Anblick los und ging hoch in mein Zimmer.
Abgesehen von den Intarsienwänden, die einst die Innenwände eines alten Schiffes gewesen sind und mit kunstvoll verzierten Zeichen bemalt waren, gab es in meinem Zimmer nichts Besonderes. Nur die Reiter, Tiere, Buchstaben und Jahreszahlen, welche das dunkle Edelholz schmückten, verliehen dem Raum einige mystische Akzente.
Ich ließ mich auf mein großes Bett fallen und griff nach einem Buch auf meinem Nachttisch.
Im Wolfslauf gab es nur wenige Räume mit Strom oder elektronischen Geräten. Das Arbeitszimmer meines Vaters, Emmas Küche und Seths und mein Zimmer benötigten ein wenig Strom, doch abgesehen davon wurden das Haus nur von Kerzenschein und Laternen beleuchtet.
Einen Fernseher gab es auch nicht, nur drei Notebooks, die meinem Vater, Seth und mir gehörten. Denn der Generator in der Nähe des Stalls lief nur einige Stunden, bis man erneut teures Benzin einfüllen musste. Wir nutzten ihn selten; meistens startete Tomas den Generator für Emma, damit sie staubsaugen konnte.
Die meisten Leute konnten nicht verstehen, warum wir so lebten, obwohl wir in einer Luxusvilla hätten wohnen können. Doch ich wusste, dass sie es niemals begreifen würden. Sie hatten keine Ahnung, wie es ist, in Freiheit zu leben. Sie wussten nicht, was dieses Glück für uns bedeutete.
Seth und ich lagen bei der Schlucht auf einer unserer Wiesen, von der man das ganze Tal überblicken konnte. Im Sommer haben wir als Kinder jeden Abend dem roten Feuerball beim Untergehen zugesehen. Wir hatten Grashüpfer und Schmetterlinge gefangen. Und manchmal waren wir sogar dort, um in dem kleinen See zu baden, der eigentlich für unsere Hirsche gedacht war. Doch Emma hatte nichts davon gewusst und das war auch gut so.
Die Luft war frisch und sauber. Sie roch nach Sommer, nach Gras, Rinde und Blumen. Nach all dem, was ich liebte.
Der Sommer war wundervoll, vor allem deswegen, weil die Zeit der Sommerferien anstand. Für uns bedeutete es eine unbegrenzte Freiheit. Keine Schule. Keine Arbeiten. Keine Hausaufgaben.
„Wo zum Teufel wart ihr? Wisst ihr, wie spät es ist?“
Emma warf einen bösen Blick auf mich.
„Gebbie, du weißt, dass sich im Sommer immer betrunkene Männer im Wald herumtreiben! Willst du, dass sie dich totschlagen?“
Sie war schon wieder außer sich vor Sorge. Es war
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