Sex and Crime auf Königsthronen
mit gewissen nationalen Varianten, Kaiser, Könige, Herzöge, Fürsten und einige Grafen. Vom Grafen abwärts geht es dann über Barone und Ritter bis zum schlichten »von« vor dem Namen. In England entspricht dieser Adelsklasse die sogenannte Landed Gentry , deren Vertreter zwar keinen Titel haben, sich nach Grundbesitz und Sozialprestige aber eindeutig vom Bürgertum unterscheiden. In England versteckt sich hinter manch bürgerlich klingendem Namen ein großer Teil des auf der Insel noch immer sehr einflussreichen Adels. Einen solcherart getarnten Blaublüter erkennt man häufig daran, dass er durchdringend nach Pferdestall riecht und sein gestopftes Tweedjackett mit Hundehaaren übersät ist. An seiner Dinnertafel wird gern Selbsterlegtes serviert, und man trägt Smoking – meist den des Urgroßvaters.
Adlige Rangeleien um Rang und Vorrang sind so alt wie das Nibelungenlied. Da führt ein Streit zwischen den Königinnen Kriemhild und Brünhild darüber, wer die blaublütigere Partie gemacht hat, direkt in die Katastrophe. Die edlen Gattinnen liefern sich ein Verbalgefecht darüber, ob Kriemhilds Drachentöter Siegfried, Entdecker des Nibelungenschatzes, oder Brünhilds Burgunderkönig Gunther, Kriemhilds Bruder, mächtiger und adliger ist. Für Brünhild – selbst Exkönigin von Island – steht die Rangfolge außer Frage. Siegfried ist nur ein Vasall. So wurde der Recke ihr schließlich vorgestellt, als König Gunther zwecks Brautwerbung um und Zweikampf mit der bärenstarken Brünhild in Island auftauchte. Kurze Rückblende: Gunther kam, sah und siegte nur, weil der (fast) unverwundbare Siegfried ihm unter einer Tarnkappe bei der Überwältigung Brünhilds beisprang. Er ist also der wahre Held. Kriemhild wird im Gezänk vorm Kirchenportal noch deutlicher: Siegfried, so enthüllt sie, habe auch als Erster mit Brünhild geschlafen, womit sie völlig entehrt wäre. Als Beweis zeigt Kriemhild der Burgunderkönigin später einen Keuschheitsgürtel, den die blamierte Brünhild als den ihren erkennt. Ein veritabler Schlag unter die Gürtellinie. Eine von einem Vasallen entjungferte Königin ist sozusagen keine mehr, sondern eine »Kebse«. Das mittelalterliche Schimpfwort für eine Konkubine; schlimmer kann man eine Königliche Hoheit nicht beleidigen.
Das Ganze mündet in der Ermordung Siegfrieds durch die Burgunder. Kriemhilds Rache dafür bleibt nicht aus und endet mit einem Schlachtfest auf der Burg von Hunnenkönig Etzel. Ein einziges Gemetzel, bei dem Kriemhild zu guter Letzt ihrem Bruder Gunther das Haupt mit dem Schwert vom Leib trennt.
Tolle Geschichte; wer sie nicht kennt, unbedingt nachlesen oder als Film ausleihen. Halten wir fest: Das ganze Drama wäre vermeidbar gewesen, wenn Brünhild – höflicherweise – Kriemhild den Vortritt zum Vespergottesdienst gelassen hätte. Nein, Pardon, das ist zu bürgerlich gedacht.
Auch im realen Adelsleben kam es zu blutigen Konflikten um den Vortritt. Samuel Pepys, eins der berühmtesten Klatschmäuler und Tagebuchschreiber des 17. Jahrhunderts, berichtet 1661 von der Keilerei zwischen der Eskorte des französischen Botschafters d’Estrade und dem Tross seines spanischen Kollegen. Die Stellvertreter der Krone prügeln sich darum, wer sich zuerst in eine Kutschprozession zu Ehren des schwedischen Botschafters einreihen darf. Ein Tumult bricht aus.
Der Pöbel ist begeistert über die Straßenprügelei um den europäischen Rang zweier Könige. Schließlich erschießen die Spanier erst die Kutschpferde ihres Gegners, dann sechs Franzosen aus dem Gefolge.
König Ludwig XIV. von Frankreich fordert die Bestrafung der Täter, Schadensersatz und droht bei Nichterfüllung mit Krieg. Spanien lenkt – aus Kostengründen – ein und schickt einen Sonderbotschafter. Diplomaten aus aller Herren Länder schauen zu, wie Graf Fuentes in Fontainebleau demütig um Verzeihung bittet. Ein Triumph für den 21-jährigen Sonnenkönig, der – noch ohne Krieg – seine Feinde zu demütigen weiß.
Ludwig notiert zufrieden: Es »war eine Huldigung von König zu König, von Krone zu Krone, die auch bei unseren Feinden keinen Zweifel darüber aufkommen lassen konnte, unser Haus sei das erste der gesamten Christenheit«.
Auch hier hätte ein simpler Akt der Höflichkeit – die Kutsche des Gegners vorlassen – einen internationalen Konflikt verhindert. Nun gut, auf bundesdeutschen Autobahnen fällt vielen Zeitgenossen das auch noch schwer. Doch moderne Drängler dürften kaum so
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