Sex - die 10 Todsünden
permanent zuwenden, und ihre sofortige Reaktion, wenn ich die Zuwendung einmal nicht geben konnte oder wollte, waren nicht mehr auszuhalten. So ist für mich auch keine Intimität möglich. Sexualität soll eine freudvolle Begegnung sein und keine Pflichterfüllung. Zu viel Nähe zerstört Nähe. Am Tag darauf habe ich die Beziehung beendet.
Oswalt Kolle ganz persönlich
»Sie hängt der Illusion einer allgegenwärtigen Liebe an«
So manche Frau rückt gleich am Anfang einer Beziehung mit einer großen Tasche an und räumt ihre gesamten kosmetischen Utensilien in das Badezimmer ihres Freundes. Dann verlangt sie von ihm, dass er seinen Terminkalender total zugunsten ihres Terminkalenders verändert. Schließlich, so denkt sie, steht sie alleine im Mittelpunkt seiner Gefühle. Diese stürmische Vereinnahmung, von der kein Mann begeistert sein dürfte, wird nur noch von einer Sache übertroffen: Die neue Freundin lädt baldmöglichst seine Mutter zu ihm nach Hause ein, um von ihr alte Geschichten über ihren Liebsten zu erfahren und ihn
auf diese Weise noch besser kennenzulernen. Das baldige Ende der Beziehung ist garantiert.
Eine solche Frau scheint, wie auch Katherine, nicht zu spüren oder nicht zu verstehen, dass sie nicht sofort all ihre Sehnsucht nach Nähe zeigen sollte, wenn sie den Freund an sich binden möchte. Denn oftmals suchen Männer einen größeren Abstand als Frauen, vor allem zu Beginn einer Beziehung. Zudem besteht eine gute Beziehung immer aus einem Wechsel von Nähe und Distanz. Ich denke dabei an den argentinischen Tango, für mich einer der schönsten Tänze. Das hinreißende daran liegt im Wechsel von Annäherung und Abstand. Diese beiden Faktoren ergeben die Spannung, die auch für eine gute sexuelle Beziehung unbedingt nötig ist. Wer zu dicht aufeinanderrückt, macht die Liebe zum Alltag. Aber Liebe sollte uns gerade aus dem Alltag herausholen. Ein Paar, das den ganzen Tag über kleine intime Zärtlichkeiten austauscht, sich ständig an Penis und Klitoris berührt, darf sich nicht wundern, wenn sich abends keine Spannung mehr einstellt. Es ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine gute Beziehung, immer wieder die Spannung zwischen Abstand und Annäherung aufzubauen.
Deswegen kann es auch von Vorteil sein, wenn ein Paar eine sogenannte LAT-Beziehung – Living apart together – aufbaut. Dies ist die Bezeichnung für ein Paar, das trotz fester Bindung auf getrennten Wohnungen im selben Wohnort besteht. Man braucht dazu aber nicht unbedingt zwei Wohnungen, zwei Schlafzimmer genügen auch. Dann trifft man sich nur dann im Bett, wenn man Lust aufeinander hat. Der eine besucht den anderen in dessen Revier. Auch das erhöht die Spannung zwischen zwei Partnern.
Katherine in unserer Geschichte hingegen hat eine sehr hohe Erwartungshaltung. Sie hängt der Illusion einer allgegenwärtigen Liebe an und will alles für ihren Partner sein: die geistig anspruchsvolle Gesprächspartnerin, die umsorgende Hausfrau und Köchin, die persönliche Vertraute, die zärtliche Geliebte. Damit wäre sie eigentlich immerzu mit ihm verbunden. Er hingegen wird ängstlich bei der Vorstellung, so viele verschiedene Rollen erfüllen zu müssen. Deswegen zieht er sich zurück. Als auch das nicht respektiert wird, tritt er die Flucht an und kündigt die Beziehung auf.
Wie viel Freiraum brauchen wir, und was lernen wir vom Stachelschwein?
Idealerweise haben beide Partner zeitgleich das Bedürfnis nach Nähe oder das Bedürfnis nach Alleinsein. Oft aber stellt sich ein Nähebedürfnis zu versetzten Zeiten ein. Zudem unterscheiden sich häufig auch die jeweiligen Vorstellungen davon, wie Nähe und Distanz aussehen sollen – Ursache von vielen Beziehungsproblemen. Erkannt haben das Phänomen bereits viele. Prägnant beschrieben hat es der Philosoph Arthur Schopenhauer in einer Parabel: Es ist ein kalter Wintertag, und die Stachelschweine frieren. So rücken sie eng aneinander, um sich zu wärmen. Dabei pieksen sie sich mit ihren Stacheln und rücken wieder auseinander. Nun aber frieren sie wieder. Immer wieder verändern sie den Abstand zwischen sich, bis sie die richtige Entfernung gefunden haben, um Schmerz und Kälte am besten zu ertragen.
Die Bedürfnisse hinsichtlich Nähe und Distanz sind individuell sehr verschieden
In der Parabel sollen die Stachelschweine die Menschen repräsentieren, die einerseits ein Gesellschaftsbedürfnis haben und sich andererseits durch die schlechten menschlichen
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