Sex - die 10 Todsünden
Eigenschaften gegenseitig abstoßen. Laut Bindungstheorie sind diese Bedürfnisse nach Nähe beziehungsweise Distanz abhängig von Erfahrungen in der Kindheit. Wer schon früh vertrauensvolle Erfahrungen mit nahen Bezugspersonen machen konnte, wird später eher die Nähe genießen, aber auch die Distanz ertragen können, ohne verunsichert zu sein. Wer hingegen vor allem im ersten Lebensjahr Störungen erleben musste, wie etwa eine Trennung von den Eltern, neigt dazu, sich zu einer abhängigen Persönlichkeit zu entwickeln. Spätere schlechte oder gute Beziehungserfahrungen spielen ebenfalls eine Rolle dafür, wie intensiv sich jemand auf eine Beziehung einlassen möchte. Hinzu kommen die genetischen Einflüsse, welche den Menschen von Geburt an bestimmen. Und als immer wichtiger entpuppen sich epigenetische Einflüsse. Damit sind Erkenntnisse aus der Biologie gemeint, nach denen nicht nur die genetische Ausstattung für das Wesen, die Vorlieben, Charaktereigenschaften oder auch für den Ausbruch von Krankheiten entscheidend ist. Vielmehr kommt es auch darauf an, ob diese Gene überhaupt »angeschaltet« werden. Für das An- und Ausschalten von Genen sind bestimmte Proteine verantwortlich, die vom Lebensstil, den eigenen Erfahrungen und sogar von den Erfahrungen der Mutter, die sich im Mutterleib auf uns übertragen, dirigiert werden.
Alle diese Einflüsse bestimmen auch, ob bei jemandem die Tendenz zum Alleinsein stärker ist oder die Tendenz zur Gemeinsamkeit. Der Abstand von anderen, den Menschen (oder Stachelschweine) suchen, ist demnach ganz unterschiedlich, da die Bedürfnisse hinsichtlich Nähe und Distanz individuell sehr verschieden sind. Die individuellen Vorstellungen haben Einfluss darauf, wie wir uns eine Beziehung wünschen und wie wir sie gestalten möchten. Insofern ist es durchaus verständlich, dass zwei Menschen nicht automatisch dieselbe Vorstellung von einer Beziehung haben, selbst wenn sie sich gegenseitig anziehen, wie Wolfgang und Katherine in der Geschichte.
Die Beziehungsform »Living apart together« wird immer beliebter
Das Thema »getrennt und doch zusammen« oder »Living apart together« (LAT), das weiter oben schon angesprochen wurde, beschäftigt mittlerweile auch die Beziehungs- und Sexualforscher. Denn diese Lebensform ist in den vergangenen 15 Jahren immer beliebter geworden. Der Anteil an Paaren, die in getrennten Haushalten leben, ist von 11,6 Prozent im Jahr 1992 auf 13,4 Prozent im Jahr 2006 gestiegen. Das ist zwar kein explosionsartiger Zuwachs, aber doch ein unübersehbarer Aufwärtstrend. Eine weitere Tendenz nach oben ist zu vermuten. Die Auswertung der Studie nach Altersgruppen zeigt: Bei den über 38-Jährigen hat sich der Anteil sogar von etwa fünf Prozent auf rund acht Prozent erhöht. Zusammen sein und getrennt leben wird zu einer immer häufigeren Option, vor allem in Großstädten, in denen der LAT-Anteil doppelt so hoch ist wie in Gemeinden unter 20 000 Einwohnern.
Zwar zeigen Analysen der Beziehungsdauer, dass LAT-Beziehungen in allen Altersgruppen im Durchschnitt weniger stabil sind als Partnerschaften in einem gemeinsamen Haushalt. Mit zunehmendem Alter wandelt sich jedoch das LAT-Verhalten. Während eine solche Beziehung bei den Jüngeren oft dadurch beendet wird, dass die Partner zusammenziehen, kommt dies bei älteren Menschen weniger häufig vor. Denn hier besteht meist kein Kinderwunsch mehr, und jeder ist beruflich und finanziell so weit etabliert, dass keine Notwendigkeit besteht, den Alltag gemeinsam zu organisieren. LAT-Partnerschaften sind also keineswegs nur ein Übergangsphänomen auf dem Weg zum Zusammenwohnen, sondern werden gerade von Älteren als eigenständige Form der Partnerschaft gewählt.
Wir können nicht alle Bedürfnisse gleichermaßen befriedigen
Warum aber ist das so? Können oder wollen wir den anderen nicht ertragen, obwohl wir ihn lieben? Schauen wir uns zunächst die Bedürfnispyramide nach dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow aus dem Jahr 1943 an. Ihm zufolge haben Menschen verschiedene Grundbedürfnisse, die hierarchisch geordnet sind. Auf unterster Stufe stehen die Bedürfnisse, die unsere Existenz gewährleisten, wie Essen, Trinken, Sicherheit. Auch die Sexualität gehört hierher, weil sie den Fortbestand unserer Spezies, also der Menschheit, sichert. Auf höheren Stufen kommen Aspekte wie Selbstverwirklichung und -bestätigung. Erst wenn die Bedürfnisse der unteren Stufen befriedigt wurden, möchte
Weitere Kostenlose Bücher