Sex ist verboten (German Edition)
alberner Gedanke! Wie komme ich auf solche Sachen?
Draußen redeten alle wie ein Wasserfall. So ist es, wenn die Edle Stille aufgehoben ist. Es gibt ein kurzes Zögern, wenn die Leute aus der Meditationshalle kommen. Sie wissen, sie dürfen jetzt reden, aber sie sind nicht mehr an den Klang der eigenen Stimme gewöhnt. Sie öffnen den Mund und machen ihn wieder zu, denken erst mal nach. Dann überwinden sie sich, und los geht’s. Urplötzlich erzählen alle von ihren Erlebnissen, ihren Schmerzen, ihren Beschwerden, ihren Eindrücken. Sie können kaum schnell genug sprechen. Einhundertfünfzig Quasselstrippen. Bei mir war es nach den ersten Retreats genauso. Später fängt man an, sich überlegen zu fühlen, man lernt, sich zurückzuhalten. Wenn Menschen schweigen, wirken sie sehr würdevoll, sehr umsichtig. Man weiß nicht, wo sie herkommen, zu welcher sozialen Schicht sie gehören. Man kritisiert sie nicht. Man kommt nicht in Versuchung, mit ihnen zu flirten. Dann, am zehnten Tag um elf Uhr, ganz plötzlich quak quak quak quak quak. Nordenglische, südenglische, ausländische Akzente. Gewöhnlich, vornehm, klug, dumm. Man würde sich am liebsten die Ohren zuhalten.
Welchen Namen werden sie mir geben? fragte ich mich. Undwerden sie mich danach wegschicken? Ich mochte Beth, weil Mum es nicht ausstehen konnte. Elisabeth war das liebe Mädchen, das sie gerne haben wollten. Beth stand für Rock und Rebellion, der Name, den ich mir selbst gegeben hatte. Wie konnten sie mich hierbleiben lassen, nachdem ich Mrs. Harper verführt hatte und nackt zu Mi Nu ins Bett gekrochen war? Aber es war seltsam, dass sie darüber nicht aufgebracht gewesen war. Mi Nu war nicht aufgebracht gewesen, weil ich sie umarmt hatte, aber sie war auch nicht erregt gewesen. In dieser Hinsicht war sie vielleicht tatsächlich wie Jonathan. Ich konnte sie nicht berühren. Und mich Beth zu nennen war womöglich zu einer Art Falle geworden. Beth
musste
jung und rebellisch sein. Aber die Zeiten waren jetzt vorbei. Die Beth-Zeiten. War der Namenswechsel der Preis, den ich zahlen musste, weil ich so lange im Dasgupta-Institut geblieben war?
Ich wollte kein neues Retreat mehr beginnen.
Ich wollte auch nicht weggehen.
In der Waschküche lief die Waschmaschine, und der Fußboden war übersät mit Plastikkörben. Es roch nach einer Mischung aus sauberen und schmutzigen Sachen, Seife und Dreck, und jeder Korb trug ein Schild: »Geschirrtücher Tag 9«. »Schürzen Tag 9«. »Harpers Tag 8«. »Service-Team Tag 8«. Hatte Mi Nu Mrs. Harper von meinem Besuch erzählt? Würde sie erwähnen, dass ich gesagt hatte, Mrs. Harper hätte versucht mich zu küssen? Ich legte die blutige Bettwäsche in einen Korb und füllte das Schild aus. »Beth, Bettwäsche Tag 10. Sorry.«
Am zehnten Tag gibt es sowohl Mittag- als auch Abendessen, um die Teilnehmer wieder auf das Leben vorzubereiten, auf ihre Abreise am nächsten Morgen. Ich ging in die Küche, um zu helfen. Wichtige Dinge würden passieren, aber für eine Weile wollte ich noch zur Routine zurückkehren. Ich brauchte eine Verschnaufpause.Kaum war ich durch den Eingang der Helfer hereingekommen und hatte Schürze und Haube angelegt, erzählte mir Kristin, dass Rob und Meredith abgehauen waren. Sie waren beide zum Frühstück eingeteilt gewesen, hatten sich aber aus dem Staub gemacht. Es hatte keinen Haferbrei gegeben. Jetzt musste eine zusätzliche Mahlzeit gekocht werden, es gab doppelt so viel Abwasch, und es waren zwei Helfer weniger da, um alles zu erledigen.
Die Nachricht hob meine Laune beträchtlich; ich rannte umher, schnitt Lauch und stapelte Geschirr. Rob und Meredith waren durchgebrannt! Keiner verstand, wieso sie ausgerechnet am letzten Tag die Fliege gemacht hatten, als nur noch eine Nacht und ein Frühstück durchzuhalten war. Warum die Eile? Sie hatten ihre Freunde im stressigsten Augenblick im Stich gelassen. Warum? Wegen ein paar Stunden.
»Vielleicht waren wir doch keine echten Freunde«, sagte Ines.
Ralph bat mich, ihm beim Schokoladendessert zu helfen. Die Leckerei an Tag zehn. Wir lasen die Zutatenliste. Ich war jetzt glücklich, ich war wieder ich selbst. Dann kam ich aus dem Kühlraum und sah, wie Ralph einen Zwei-Kilo-Behälter mit Kakaopulver auf einmal in die große Metallschüssel schüttete. Er machte ihn auf und kippte ihn einfach kopfüber aus. Wumm! Ein explosionsartiger Schwall von Pulver stob auf bis unter die Decke. So dicht, dass wir uns kaum noch sehen konnten. Wir atmeten
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