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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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sein. In gewisser Weise wusste ich, was sie meinte, ich hatte das sogar schon selber über sie gedacht. Trotzdem konnte ich es nicht dabei belassen.
    »Jeder hat eine Geschichte. Ich meine, du bist in einem anderen Teil der Erde geboren worden. Also gibt es die Geschichte, wie du hierhergekommen bist. Erzähl mir davon.«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe das alles hinter mir gelassen, Beth.«
    Ich seufzte. Sie schaute mich an, um festzustellen, ob ich sie verstand.
    »Du bist noch jung, Beth. Trotzdem gibt es bestimmt Teile deines Lebens, an die du nicht mehr denkst. Eine alte Schulfreundin. Einen Urlaub mit deinen Eltern.«
    »Eine ganze Menge Jungs«, kicherte ich. »Als Sängerin ist man quasi gezwungen, alle zu verführen.«
    Mi Nu sagte: »An die meisten Sachen, die wir erleben, denken wir schon bald nicht mehr. Sie hinterlassen keinen großen Eindruck. Und so kann es auch mit Erinnerungen sein, die einen quälen. Man kann in das Licht dahinter schauen. Lass
anicca
walten,tritt ein in den Fluss des Lebens und lass die Veränderung zu.«
    Das fiel mir in dem Moment ein bisschen schwer. Ich war schon sehr lange wach.
    »Ich möchte nicht alles vergessen«, sagte ich. »Dann wüsste ich nicht mehr, wer ich bin.«
    Sie lächelte. »Wer bist du denn, Beth?«
    Ich bemühte mich, mir eine gute Antwort einfallen zu lassen.
    »Vermutlich bin ich eine Chaotin. Aber eine gute Musikerin. Jedenfalls bin ich gut auf der Bühne. Ich biete den Leuten etwas für ihr Geld.«
    Mi Nu saß abwartend im Halbdunkel, den Lichtschein vom Flur im Rücken.
    »Aber nach allem, was passiert ist, kann ich nicht mehr spielen. Das spüre ich. Das ist das Problem. Ich meine, ich weiß nicht, was ich in Zukunft machen soll. Meine Mutter und meine Schwestern sind total anständig. Immer nur Kirche und tu dies nicht und tu das nicht. Ich bin eher wie mein Vater. Er ist rücksichtslos. Ihre Religiosität macht ihn wahnsinnig. Trotzdem hat er mir nie geholfen. Dad hatte immer Affären mit seinen Assistentinnen, deshalb wollte Mum, dass ich seine Assistentin werde, damit das nicht mehr vorkam – einmal hat sie versucht, sich umzubringen, sie hat den Kopf in den Backofen gesteckt –, also ließ ich mich breitschlagen, im Büro zu arbeiten und für Dad die Sekretärin zu spielen. Ich fand es furchtbar.«
    Ich hielt inne. Ich wusste nicht, ob Mi Nu tatsächlich zuhörte, oder ob ich mich gerade zum Affen machte.
    »Ich hatte immer wieder den gleichen Traum. Ich gehe Hand in Hand mit einem Mann. Wir sind auf der Flucht, wir sind glücklich, aber dann führt die Straße durch einen Tunnel, undder Tunnel ist mit Schnee verstopft. Wie kann es in einem Tunnel schneien?«
    Ich hatte schon ewig nicht mehr so viel geredet.
    »In einem anderen Traum, der auch immer wiederkommt, bin ich mit meiner Gitarre in der U-Bahn, auf dem Weg zu einem Konzert. Ich versuche, mit der Rolltreppe nach oben zu fahren, aber die Rolltreppe fährt abwärts, und ich schaue auf meine Füße und bin barfuß.«
    Ich wartete.
    »Ich wette, du hast wunderschöne Träume.«
    Sie sagte immer noch nichts. Sie konnte ihr Gesicht vollkommen ausdruckslos erscheinen lassen.
    »Weißt du, als ich gerade aus der Meditationshalle kam, habe ich eine Eule gehört. Der Ruf schien direkt in mich hineinzugehen. Uuh, uuh. Und ich dachte, du wärst es. Ich dachte, die Eule, das wärst du. Verrückt, ich weiß. Deshalb bin ich hergekommen.«
    Sie neigte leicht den Kopf.
    »Und als ich hereinkam, weißt du, dass du da geschnarcht hast? Dein Schnarchen klingt sogar ziemlich komisch.«
    Sie lächelte. »Tatsächlich?«
    »Als ich ins Bett gestiegen bin, war ich ziemlich nervös, weil ich demnächst meine Tage kriege. Ich meine, ich wollte dein Bett nicht beschmutzen.«
    Das Lächeln blieb, wo es war. Ich war mir nicht sicher, ob sie dachte, sie kenne mich durch und durch, und nur nachsichtig war, oder ob sie aus mir überhaupt nicht schlau wurde. Oder ob es ihr einfach egal war, ob sie mich kannte oder nicht.
    »War es richtig von mir, herzukommen, Mi Nu? Bitte sag mir, dass es richtig war.«
    Sie fragte: »Wissen deine Eltern, wo du bist?«
    »Nein.«
    »Sie werden sich Sorgen machen.«
    »Sie könnten mich finden, wenn sie wollten. Eigentlich kann ich es kaum fassen, dass sie es noch nicht versucht haben. Heutzutage kann man jeden aufspüren.«
    »Warum müssen sie dich suchen, wenn du ihnen einfach mitteilen könntest, wo du bist?«
    »Wenn sie wollen, dann finden sie mich«, sagte

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