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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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keine Ahnung, was ich tun würde, nicht mal in den nächsten paar Stunden, ob ich bleiben oder weggehen würde, ob mir noch ein weiteres Gespräch mit Mrs. Harper oder Mi Nu bevorstand oder ob sie nie wieder mit mir reden würden. Aber ich war ganz ruhig. Die Vergangenheit war auch da. Sie war hier bei mir im Speisesaal. Jonathan und Carl und Zoe und Mum und Dad, sie alle waren da, Teil des Lärms in meinem Kopf, sie waren weder verschwunden noch begraben noch vergessen. Ich konnte mir vorstellen, wie sie am Tisch hinter mir saßen und sich unterhielten. Wie an jenem Abend in Soho. Oder wie manchmal, wenn Carl zum Essen zu uns kam und mit Dad übers Angeln sprach. Sie waren alle zur Party an Tag zehn gekommen. Aber ich war deshalb nicht aufgewühlt. Ich brauchte sie nicht zu verscheuchen. Ich war ruhig. Es war nicht dieselbe Stille wie in der Meditationshalle. Aber vielleicht hatte sie etwas damit zu tun.
    »Wann bekomme ich denn nun meinen Leserbericht?«
    GH setzte sich neben mich.
    »Gary?«, fragte ich. »Oder Gregory, oder Gordon oder George?«
    »Geoff«, sagte er. »Geoff Hall.«
    »Ich bin Lisa«, sagte ich zu ihm.
    »Schön, Sie kennenzulernen, Lisa.«
    Ich fragte ihn nach dem Essen, und er sagte auch, dass er nie eine Banane abgekriegt hatte. »Diese kleinen Äpfel waren ziemlich sauer.«
    »Aber die Zuckermelonen haben Ihnen zugesagt, oder?«
    »Ich bitte um Verzeihung?«
    Er kapierte nicht. Er ist so einer, der ›ich bitte um Verzeihung‹ sagt. Und er hatte eine nette Art, die buschigen Augenbrauen hochzuziehen. Dann kam er drauf. »Ach so, ja. Die Zuckermelonen. Tut mir leid.«
    Wir machten einen Spaziergang auf der Wiese. Die Leute standen zu zweit oder in Grüppchen herum, bewegten sich, lehnten sich an Bäume und Bänke. Der Himmel war milchig-weiß.
    »Wieso waren Sie in meinem Zimmer?« fragte er.
    »Wieso haben Sie ein Tagebuch geführt? Sie wissen doch, dass das nicht erlaubt ist.«
    Er antwortete nicht. Vielleicht war er immer noch überrascht, wieder sprechen zu dürfen.
    »Den ganzen Tag sitzen Sie in der Meditationshalle und lösen angeblich Ihr dickes fettes Ego auf, und dann rennen Sie zurück in Ihr Zimmer, fangen an zu schreiben und bauen es wieder auf.«
    »Ich war ganz schön geschockt, Sie dort vorzufinden.« Er lachte.
    »Ich habe eine Bettdecke für einen Schüler rübergebracht, der fror. Ich habe die falsche Tür erwischt.«
    »Und haben rein zufällig die Hefte entdeckt und sich rein zufällig hingesetzt, um zu lesen, und dann rein zufällig einen Stift genommen und mir eine Nachricht hinterlassen.«
    Ich lachte.
    »Sie sind mehr als einmal gekommen. Und Sie haben eine Seite herausgerissen. Warum haben Sie das gemacht?«
    »Soll das hier ein Verhör sein?«
    Es war unschwer zu erkennen, dass er den Gedanken, dass jemand seine Sachen gelesen hatte, aufregend fand.
    »Was Sie über Ihre Tochter geschrieben haben, hat mir übrigens gut gefallen.«
    »Ach ja, was denn genau?«
    Dann fiel mir ein, dass der Abschnitt über die Liebe zu seiner Tochter in dem Brief stand. Und dass ich den auch gelesen hatte, wusste er nicht.
    »Nur ganz allgemein, dass Sie sie offensichtlich sehr gernhaben.«
    Er seufzte. Er hatte etwas Schroffes, Besorgtes an sich, aber wenn er lachte, entspannte er sich.
    »Kommen Sie, wir gehen quer rüber«, sagte ich. Wir hatten eine Runde um die Wiese beendet. »Wir können noch das kleine Stück durch den Wald gehen.«
    Wir verließen den Weg und liefen durch das nasse Gras. Er schwieg.
    »Und morgen dann nach Hause?«
    »Genau.«
    »Was werden Sie mit Ihrem berühmten Dilemma anfangen?«
    »Keine Ahnung. Ich hatte gehofft, die Meditation würde mir helfen, eine Entscheidung zu treffen.«
    »Tut sie nicht. Sie hilft Ihnen nur dabei, zu akzeptieren, dass Sie ein Drecksstück sind.«
    Er runzelte die Stirn. »Das ist wenigstens ein Anfang.«
    »Haben Sie schon Ihre Sachen aus dem Schließfach geholt? Das dürfen Sie jetzt, wissen Sie das? Sie dürfen auch Ihr Telefon benutzen, wenn Sie wollen.«
    Er sagte, er habe das Schließfach aufgeschlossen, dann aber wieder zugemacht.
    »Haben Sie Angst?«
    »Natürlich habe ich Angst.« Er dachte darüber nach. »Aber nicht mehr so viel wie als ich herkam. Seit ein paar Tagen fühle ich mich stärker.«
    »Aha. Ich habe seit dem siebten Tag nichts mehr gelesen.«
    »Und ich nichts mehr geschrieben. Ich habe damit aufgehört.«
    »Wirklich?«
    Er antwortete nicht. Wir gingen weiter. Und während wir spazieren gingen, wurde mir

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