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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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klar, dass ich anfing, ihn zu mögen. Ich mochte seine Besorgtheit.
    »Warum haben Sie aufgehört? Erzählen Sie es mir.«
    »Ich hatte ein Erlebnis beim Meditieren.«
    Er wartete, bis wir an zwei Typen vorbei waren, die uns entgegenkamen.
    »In einer dieser furchtbaren Stunden der Festen Entschlossenheit. Meine Knöchel und meine Oberschenkel brannten wie Feuer, aber ich war entschlossen, mich vor dem Ende der Stunde nicht zu rühren. Dann wurde mir klar, wie dumm das war. Ich hielt durch, damit ich hinterher stolz auf mich sein konnte, und das ist genau das Gegenteil von dem, worum es beim Meditieren gehen sollte. Ich weiß nicht, wie es sich dann ergeben hat. Ich beschloss aufzugeben, meine Position zu verändern, nicht weil es unbedingt sein musste, sondern um diese Mentalität des Durchhaltens zu unterlaufen. Ich dachte, es wäre besser, mich demütig geschlagen zu geben. Aber anstatt meine Beine zu lösen, beugte ich mich ein bisschen nach vorne, ich lehnte mich hinein in den Schmerz in meinen Knien und Knöcheln, und ich ließ los. Gedanklich. Es war ein sehr seltsames Gefühl. Als würde ich in eintiefes Becken voller Schmerzen springen, ganz darin untertauchen. Und in dem Moment, als ich dachte, ich würde darin ertrinken, würde überwältigt werden, da floss alles ab, der Schmerz rann davon wie Wasser. So fühlte es sich an, wie abfließendes heißes Wasser, und es ging mir gut. Ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten, die Stunde bis zum Ende durchzuhalten; ich bin anschließend sogar noch ein bisschen sitzen geblieben.«
    »Das ist die Erfahrung, die jeden bekehrt«, sagte ich.
    »Wie auch immer, von da an habe ich mich richtig ins Zeug gelegt. Und ich habe aufgehört zu schreiben. Ich bin sogar traurig, weil es jetzt vorbei ist.«
    »Dann sollten Sie vielleicht noch bleiben«, sagte ich lachend. »Ich bin schon fast neun Monate hier, wissen Sie.«
    Er fragte, wieso das, und ich erklärte ihm, dass immer Freiwillige gebraucht wurden, man arbeitet einfach als Gegenleistung für Unterkunft und Verpflegung. »Neben der Küchenarbeit fallen noch alle möglichen Wartungsarbeiten an. Gartenpflege. Klempnerarbeiten. Elektro.«
    »Ich meinte, wieso sind Sie so lange geblieben?«
    Ich ließ ihn ein bisschen zappeln. »Das ist meine Sache.«
    »Na los, erzählen Sie es mir.«
    »Warum? Warum wollen Sie das wissen?«
    Er lächelte. »Sie interessieren mich eben.«
    »Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich es Ihnen erzählen sollte.«
    »Sie haben etwas über mein Leben gelesen.«
    »Kein guter Grund.«
    Er lachte lauthals. »Weil ich Sie mag.«
    Was sollte das denn heißen?
    Wir erreichten die Ecke der Wiese, traten auf den mit Rindenmulch ausgestreuten Weg, der zwischen den Bäumen am unterenZaun entlangführt und von dem aus die Leute sich in den Pub verdrücken.
    Ich sagte: »Na schön. Es hat einen Badeunfall gegeben. Letzten Sommer in Frankreich. Ich wurde von einem Hubschrauber gerettet, aber der andere Typ, der auch im Wasser war, lag am Ende im Koma. Es war irgendwie meine Schuld, und es hat mich ins Grübeln gebracht. Dann hat jemand auf der Rückfahrt mit der Fähre von diesem Ort hier gesprochen.«
    »Hat er überlebt? Der Typ, der im Koma lag?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Nein.«
    »Aber warum nicht? Sie haben doch ein Telefon, oder nicht?«
    »Das liegt im Schließfach, seit ich hier angekommen bin.«
    »Haben Sie Angst anzurufen, falls er gestorben ist?«
    Ich dachte darüber nach. »Am Anfang schon. Aber jetzt nicht mehr. Die Sache ist die, es spielt eigentlich keine Rolle, ob er tot ist oder nicht. Ich habe getan, was ich getan habe. Mein Problem bleibt mein Problem, egal ob er gestorben ist oder nicht. Ich kannte ihn schließlich kaum.«
    Er schwieg.
    »Sorry, es ist ein bisschen kompliziert.«
    Ein Stückchen weiter blieb er bei einem Baum stehen. »Vor ein paar Tagen war ich total fasziniert von diesem Ast.« Er zeigte auf einen langen Zweig mit dicken, klebrigen Knospen. »Ich bin an dem Anblick der Knospen hängen geblieben, die kurz vor dem Aufblühen sind, mit den Regentropfen obendrauf.«
    »Das ist ein typischer Dasgupta-Moment. Um Tag acht herum, nehme ich an.«
    »Das weiß ich nicht mehr.« Dann sagte er: »Kommen Sie, wirgehen unsere Handys holen. Wir erledigen die Anrufe, die wir machen müssen.«
    »Nein.«
    »Doch, kommen Sie. Wir machen es. Zusammen.«
    »Nein.«
    Ich machte mich gemeinsam mit ihm auf den Rückweg.

MUM
    IN MEINEM SCHLIESSFACH würde ich

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