Sex ist verboten (German Edition)
sich selber.
»Hat irgendwer die Backpflaumen rausgestellt? Ist bei den Männern schon gedeckt?«
Ich bin immer unentbehrlich gewesen. In der Band, für Carl, für Dad – immer. Ohne Bossy Beth hätten wir keine Auftritte gekriegt. Wir wären nie rechtzeitig angekommen, hätten nie unser Geld bekommen. Wie hätten meine Eltern es schaffen sollen, zusammenzubleiben, wenn ich nicht da gewesen wäre, um mir anzuhören, wie sie sich übereinander beklagen?
»Es hat keinen Sinn, den Toast jetzt schon zu machen«, erkläre ich Ralph. »Bereite einfach den Ofen vor und leg das Brot auf die Bleche. Kein Mensch will kalten Toast.«
Ralph ist der einzige Helfer, der hart arbeitet. Um mich zu beeindrucken.
»Dein Rücken ist nass, Bess«, sagt er mit seinem deutschen Akzent.
Ich runzele die Stirn. Ich werde nicht antworten.
»Wieso denn, Bess?«
Rechte Rede ist normalerweise gar keine Rede. Nicht reden,kein Blickkontakt. Edle Stille. Dann setzt der Gesang ein –
ananta punyamayi.
Es wird Zeit, die Haferflocken ins Wasser zu tun.
Ananta punyamayi.
Alles befindet sich in ständigem Wandel, hat der Buddha gesagt.
Anicca, anicca.
Alles entsteht und vergeht. Schmerzen, Freude, Beziehungen. Alles entsteht und vergeht. Aber im Dasgupta-Institut setzt jeden Tag um Punkt sechs Uhr der Gesang ein, in der Meditationshalle und in der Küche. Sie übertragen ihn.
Ananta punyamayi.
In der Halle wissen die neuen Schüler mit den Sitzschmerzen dann, dass sie nur noch eine halbe Stunde durchhalten müssen, und die Helfer wissen, dass sie sich mit dem Essen beeilen müssen.
»Du musst doch frieren«, sagt Ralph.
»
Ananta gunyamayi.
« Ich summe gern mit. Ich habe ganze Passagen gelernt, obwohl ich keine Ahnung habe, was sie bedeuten. Wie damals, als ich mit
Pocus
eine Nummer auf Japanisch zum Besten gegeben habe. Die Leute fanden mich auf Japanisch sehr überzeugend.
»Was ist denn passiert?« Ralph quasselt weiter. »Du bist klatschnass, Bess.«
Klatschnass war ein Jonathan-Wort. »Du bist klatschnass, Betsy M. Du schlimmes kleines Mädchen. Klitsche-klatsche-nass und heiß.« Für Jonathan war ich nie unentbehrlich.
»Bring das Obst raus«, sage ich zu Rob. »Check noch mal, ob die Äpfel und Birnen gewaschen sind.
Ralph sagt: »Wenn du dich umziehen willst, Bess, dann mache ich den Haferbrei.«
»Du leistest zum ersten Mal Service, oder, Ralph?«
»Ja.«
Er lächelt. Er hat mich dazu gebracht, etwas zu sagen.
»Weißt du noch, was auf der Webseite steht, gleich am Anfang? Auf der Seite über den Dhamma-Service?«
Er hat wirklich ein hübsches Gesicht. Schöne volle Lippen.
»Da steht: ›Helfer zu sein ist eine Gelegenheit, im Dhamma zu wachsen, indem man anderen hilft, und nicht eine Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.‹«
Bavatu sava mangelam.
Komisch, aber es ist mir nie gelungen, herauszufinden, wo in der Küche die Lautsprecher sind. Es klingt, als käme Dasguptas Stimme aus dem Ofenrohr oder den Abflüssen. Er ist jetzt bei der abschließenden Segnung angekommen. Aber er zieht sie gern in die Länge. Drei Mal. Jedes Mal ein bisschen länger.
Baavaatuu saavaa maaangelam.
Mögen alle Wesen glücklich sein. Noch einmal. Ich prüfte den Haferbrei in beiden Pfannen und griff nach den Topflappen.
Baaaaavaaaaatttttuuuuu saaaavaaaa ma-anageh-laaaaaaaaaaaam.
Dasgupta dehnt es ewig aus, als letzte kleine Schikane, um die Gelassenheit der Sitzenden auf die Probe zu stellen. Ich glaube, er hat Sinn für Humor. Jetzt sind sie nur noch drei langsame
sadhus
von der Erlösung entfernt, drei Amen trennen sie vom Frühstück.
Ralph sagte: »Diese Pfanne ist zu schwer für dich, Bess. Ich mach schon.«
»Offensichtlich nicht«, entgegnete ich.
Saaadooo.
Ich hievte den Topf für die Frauen von der Platte und knallte ihn auf einen Servierwagen.
Saaadooo.
»Und merk dir endlich: Ich heiße Beth, Ralph, Beth, th th th, nicht Bess. Kannst du denn kein ›th‹ aussprechen, verdammt noch mal?«
»Bess.«
Saaadooo.
Aus. Sie sind frei. Und hungrig.
Ich stieß den Servierwagen durch die Schwingtür in den Flur und durch die Tür zum Frauenspeisesaal, dann hievte ich die Pfanne auf den Tisch. Ich mag dabei das unvermittelte Gefühl harter Hitze an meiner Brust. Wenn man den Deckel abnimmt, quillt der Dampf heiß und heimelig duftend heraus. Ich fröstelte, meine Kleider klebten an meinem Rücken. Ich beugte mich über die Pfanne und ließ mir die Hitze ins Gesicht steigen. Aber die Leute standen bereits vor der Tür. Erst der
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