Sex ist verboten (German Edition)
dritte Tag, und schon hatte sich eine Gruppe von Frühankömmlingen gebildet. Sie mussten die Meditation vorzeitig verlassen haben. Sie wollen sichergehen, dass sie eine Banane abbekommen. Ich habe Mrs. Harper gesagt, dass wir, wenn wir nur für die Hälfte der Teilnehmer Bananen haben, eine Situation herbeiführen, in der manche von ihnen sich schlechtes Karma einhandeln, weil sie gierig danach greifen. Die Kiwis und die Orangen stoßen bei Weitem nicht auf so großes Interesse, und Äpfel haben wir im Überfluss. »Vielleicht sollten wir die Bananen gänzlich streichen«, schlug ich ihr vor. Man sieht Leute, die ihren Platz in der Haferbrei-Schlange aufgeben, um sich eine Banane zu schnappen, und sich dann ganz hinten wieder anstellen und mit dem Obst in der Hand bereitwillig warten. Ehe ich das Schild PRO PERSON NUR EINE BANANE aufgestellt hatte, haben manche Schüler zwei genommen.
»Warum beobachten Sie die anderen?«, fragte Mrs. Harper lächelnd. »Es steht uns nicht zu, ihr Karma zu berechnen.«
Könnte ich dieses Gespräch doch nur mit Mi Nu führen, aber sie kommt nie in den Speisesaal. Sie isst allein im Bungalow der Leiterin. Mrs. Harper ist ein wunderbarer Mensch. Sie ist langsam und voll, fast geschwollen, sehr freundlich und vage, und siescheint sich auf Rädern zu bewegen, statt zu gehen; sie dreht sich ganz langsam in ihren weiten, knöchellangen Kleidern. Vielleicht verbergen sich dort unten tatsächlich Gummiräder, die von einem geräuschlosen Motor angetrieben werden. Mit einer einzigen Geschwindigkeitsstufe. Schneckentempo. Es ist unglaublich, wie langsam sie ist. Aber ich mag das. Nichts an ihr ist flatterig. Wenn ich Mrs. Harpers breites, blasses Gesicht mit dem selbst geschnittenen Pony anschaue, dann kommen mir Wörter wie
matronenhaft
oder
Müttergenesungswerk
in den Sinn, und wenn ich mit ihr spreche, fällt mir jedes Mal ihr Ehering auf, der in das geschwollene Fleisch ihres Fingers eingesunken ist. Man kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie ihn jemals abnimmt und ihn ihrem Mann vor die Füße wirft. »Verpiss dich, du scheinheiliger, gemeiner Lügner!« Wäre ich bei den Harpers aufgewachsen, dann wäre ich vollkommen anders. Sie sind so ruhig zusammen. Ich bezweifle allerdings, dass sie miteinander schlafen. Ich bezweifle, dass sie Kinder haben. Als ich Mr. Harper den Analvibrator gezeigt habe, trat so ein Ausdruck in sein Gesicht.
»Meinen Sie«, fragte ich Mrs. Harper, »dass die Helfer überhaupt Bananen essen sollten, ich meine, wenn nicht genug für alle Meditierenden da sind?« Sie lächelte. Sie hat einen leichten amerikanischen Akzent. »Liebe Elisabeth, wenn Sie gerne eine Banane essen möchten, dann tun Sie das ruhig. Niemand möchte, dass Sie darauf verzichten.«
Ihr Blick wirkt immer überrascht, auf eine großzügige Art. Sie spricht mit gurrender, gedehnter Stimme. Auf der anderen Seite erinnert sie uns ständig daran, dass die Helfer erst essen dürfen, wenn die Meditierenden fertig sind; wir sind da, um sie zu bedienen, wenn wir also Bananen wollten, dann müssten wir sie für uns beiseitelegen,
ehe
wir das Obst hinaustragen. Was nicht dem Geist des Dasgupta-Instituts entspricht, oder? Im Sinne desDasgupta-Instituts ist es, dass wir für die Meditierenden kochen und dann essen, was sie übrig lassen. Wir kochen nicht für uns selbst. So sind die Regeln. Wir sind zweitrangig. »Wenn du eine Banane willst«, sagte ich zu Ralph und zwinkerte ihm zu, »dann leg dir lieber eine beiseite, ehe die Horden einfallen.« Er trug gerade das Tablett mit dem Toast für die Männer hinaus, und er senkte betreten den Blick. Er hatte bereits zwei Bananen zurückbehalten. Ich wusste es. Ein Glück, dass ich die Dinger nicht ausstehen kann, sonst gäbe es einen echten Engpass.
Ich öffnete die Tür zum Speisesaal, und die Meditierenden stürmten herein. Auf der Veranda ist ein Waschbecken, wo man sich die Hände waschen kann, aber niemand macht das. Es ist halb sieben, und sie sind seit vier Uhr auf. Seit dem Mittagessen gestern um elf haben sie nichts mehr gegessen. Nach der Morgensitzung sind die Leute immer sehr zufrieden mit sich. Wenn wir vor dem Frühstück meditieren, fühlen wir uns tugendhaft, und ein bisschen Tugend scheint um diese Uhrzeit durchaus erstrebenswert zu sein. Sie bringt uns inneren Frieden. Ich habe meinen ersten inneren Frieden im Dasgupta-Institut auch während einer Morgensitzung erlebt. Zum ersten Mal nach Monaten der Qual fühlte ich mich
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