Sex ist verboten (German Edition)
sehen kann, ist die Meditationshalle selbst. Sie sitzen links, wir rechts. Siebzig Matten auf ihrer Seite, in Reihen, alle mit blauen Kissen und grauen Decken darauf. Siebzig Matten auf unserer Seite mit blauen Kissen und weißen Decken, oder sagen wir cremeweißen. In der Mitte ein breiter Gang. Die Männer haben ihre eigene Videoleinwand, hoch oben an der vorderen Wand. Wir haben unsere. Unsere Blicke dürfen sich nicht kreuzen, wenn wir Dasguptas Reden verfolgen. Ein Mann bedeutet eine Ablenkung für eine Frau, und eine Frau bedeutet eine massive Ablenkung für einen Mann. Wenn man allerdings zur Stunde der Festen Entschlossenheit ein bisschen verspätet in den Saal käme, dann hätte man Gelegenheit, auf dem Weg zu seinem Platz mit einem einzigen Blick zur anderen Seite alle Männer abzuchecken. Aber meine Matte ist ziemlich weit vom Gang entfernt, und ich habe keine Ausrede, näher heranzugehen. Ich bin froh darüber. Wozu muss ich mir Männer angucken? Es sei denn, ich erfinde einen Grund, zu Mi Nu Wai zu gehen und vor ihr niederzuknien, mit einer besonderen Bitte.
Alle, die in die Meditationshalle kommen, ziehen auf der Veranda ihre Schuhe aus, die Männer links auf ihrer Veranda, wir Frauen rechts auf unserer. Dann tapsen alle barfuß oder auf Socken herein, gehen zu ihren Matten, machen sich mit ihren Kissen und Decken zu schaffen, setzen sich in Position und schließendie Augen. Keiner schaut sich um, außer den Lehrern und ihren Assistenten. Zwei männliche Assistenten, zwei weibliche. Sie kontrollieren, wer kommt. Sie haben Listen. Die Aufnahme fängt erst an, wenn alle auf ihrem Platz sitzen. Sie überprüfen auch unsere Kleidung. Einmal wurde ich zurückgeschickt, weil ich vergessen hatte, einen BH anzuziehen. Das ist schon lange her. Mein T-Shirt sei sehr eng, meinten sie. Es war mir peinlich, aber es freute mich auch. Auf dem Weg schaute ich kurz im Badezimmer in den Spiegel. Sie hatten recht. Man konnte die Brustwarzen sehen. Wie auch immer, heute habe ich kurz den Kopf gehoben und nach links geschaut, als ich durch die Kissenreihen ging. Aber weil die Assistenten der Lehrer einen ständig beobachten, kann man das andere Geschlecht nicht richtig abchecken. Sie würden es merken. Und was würde ich ohne meine Brille schon erkennen? Ich werde nicht anfangen, beim Meditieren meine Brille zu tragen. Letztendlich ist es mir egal, wer der Tagebuchschreiber ist. Nur einer von vielen Männern mit Problemen. Ein Schwein oder ein Versager. Oder beides.
Wenn ich mich auf meiner Matte in Position gesetzt habe, schaue ich nur noch Mi Nu Wai an. Mii Nuu Waaii. Sie sitzt vorne auf einem breiten, niedrigen Hocker, fast wie ein Tisch, mit einem weißen Kissen, in weiten weißen Hosen und weißer Bluse. Ihre Schultern sind so schmal wie die eines Vogels, und wenn sie sich ihr Tuch um den Hals schlägt, dann sieht es so aus, als wäre ihr dunkles Haar die Spitze eines hellen Dreiecks, das ein Stückchen über uns schwebt. Ihr Rücken ist gerade, aber nicht aufrecht, sie lehnt sich leicht nach vorne, den Meditierenden entgegen, und ihr Gesicht ist ernst und heiter nach oben gerichtet. Sie ist so still, so bleich, so zeitlos, so beinahe nicht da, dass man sie ganz unwillkürlich anstarrt, so wie man etwas am Horizont anstarrt, das gleich verschwinden wird. Ich setze mich und ziehedie Knöchel in den Schritt. Ich möchte sein wie Mi Nu Wai. Ich sehne mich nach ihrer Ruhe, ihrer Geisterhaftigkeit. Beth Marriot ist zu fleischlich und zu unruhig, mit ihren dicken Oberschenkeln und ihren großen Titten, die unter ihrem Fleecepullover in ein Bikinioberteil gezwängt sind. Du bist ein Tittengekicher, Betsy M, hat Jonathan gesagt, ein wahres Gegurgel, Gegluckse, Geglotze und Gegoogel von Titten. Bikinioberteile waren mir schon immer lieber. Ich brauche keine Stütze. Nur, um die Nippel zu verbergen. Das hat ihn verrückt gemacht. Und heiß.
Halt.
Atme.
Achte auf deinen Atem.
Das Einatmen, das Ausatmen.
Das linke Nasenloch, das rechte Nasenloch.
Atmen ist wunderbar; dieses ganz leise Hin und Her, das kaum merkliche Streichen über die Lippe.
Wie kann Mi Nu nur so still sitzen? Mit einer einzigen Bewegung setzt sie sich hin, sammelt sich und ist augenblicklich still. Nicht wie etwas, das abgeschaltet oder tot ist, eher eingeschaltet, leuchtend und lebendig. Ihre Ruhe glänzt wie der Mond. Ich spüre sie aus fünf Metern Entfernung. Mi Nu ist der Mond, wenn sie sich von ihrem erhöhten Sitz aus über mich beugt, bleich und
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