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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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mir die richtige Frage eingefallen ist, werde ich zu Mi Nu gehen und mit ihr sprechen. Aber sie beenden das Gespräch immer schnell. Es gibt eine Regel, also befolge sie. Im Dasgupta-Institutist alles sehr klar. Diskussionen reiben nur den Geist auf. Sie erkennen dein Problem und zeigen dir die Lösung: meditieren. Wenn du Schmerzen hast, mach einen objektiven Vermerk, sag dir: Schmerzen, Schmerzen, nicht
meine
Schmerzen. Wenn störende Gedanken dir immer wieder durch den Kopf gehen, sag dir: Gedanken, Gedanken, nicht
meine
Gedanken. Und damit gut. Sie sehen, dass du gegen eine Regel verstößt, und sie fordern dich auf, es nicht zu tun.
    »Fasten ist verboten, Elisabeth, und jetzt wollen wir wieder schweigen.«
    »Warum ist es verboten?«
    Ich möchte so sein wie sie. Ich möchte haben, was sie haben, stiller als still sitzen können, so wie Mi Nu. Nur jemand, der vollkommenen inneren Frieden besitzt, kann so lange so still sitzen. Aber manchmal muss ich sie auch herausfordern. Ich möchte sehen, wie sie sich winden.
    »Sagen Sie mir, warum es verboten ist.«
    Mrs. Harper lächelte ihr überraschtes Lächeln. Sie ist wie eine Rektorin, die mit einer ihrer Lieblingsschülerinnen spricht, die sich Ärger eingehandelt hat.
    »Wir sind keine Masochisten, Elisabeth. Wir halten nichts davon, uns zu bestrafen. Das ist nicht der Weg zur Reinheit.«
    »Ich fresse wie ein Schwein«, sagte ich zu ihr. »Ich hasse mich.«
    Sie legte den Kopf schief.
    »Ich habe ziemlich üble Sachen gemacht, wissen Sie«, fuhr ich fort. »
Echt
schlimme. Ich will nicht als Schwein wiedergeboren werden!«
    Ich meinte das ernst, aber trotzdem musste ich lachen. Ich prustete los. Mrs. Harper sagte nichts.
    »Sie haben ja keine Ahnung«, jammerte ich. »Ich bin sicher, ich werde ein besserer Mensch, wenn ich eine Woche lang nichts esse. Lassen Sie mich eine Woche hungern. Ich muss etwas mit mir machen. Ich möchte gereinigt werden.«
    Mrs. Harper sagte: »Nach zwölf Uhr mittags nichts mehr zu essen ist genug der Reinigung, Elisabeth. Worauf es ankommt, ist, zu lernen, wie man maßvoll isst. Wer hungert, wird nur stolz und selbstgefällig.«
    »Aber darum geht es doch gerade«, schrie ich. »Ich kann nichts maßvoll tun. Ich kann es einfach nicht.«
    Ich brach in Tränen aus. Sie sagte nichts, aber ich wusste, dass sie mich beobachtete. Ich hörte auf und schniefte. Sie bot mir ein Taschentuch an.
    »Wie Sie sehen«, sagte ich, »bin ich eine echte Drama Queen.«
    »Sie werden es lernen«, sagte Mrs. Harper. »Dafür ist das Dasgupta-Institut da. Sie lernen bereits, Elisabeth, Sie sind schon dabei, sich zu verändern. Jetzt möchten Sie diese Veränderung beschleunigen. Sie möchten auf einen Schlag gereinigt werden. Das ist verständlich, aber es ist ein Fehler. Veränderung hat ihr eigenes Tempo. Meditieren Sie und beobachten Sie sich, Elisabeth. Arbeiten Sie an Ihrem Gleichmut. Beobachten Sie, wie Sie sind und wie Sie sich verändern, mit gelassenem Geist. Es gibt keinen Grund zur Eile.«
    Wenn Mi Nu mir das gesagt hätte, hätte ich es bestimmt wunderschön gefunden. Ich war rasend vor Wut.
    »Ich habe jemanden umgebracht«, erzählte ich ihr. »Deswegenbin ich hier. Jemand ist meinetwegen gestorben. Vielleicht mehr als einer. Deshalb muss ich mich reinigen, klar?«
    Mrs. Harper seufzte. Ihre formlose Brust hob und senkte sich unter dem grauen Kleid. Sie dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie. »Ich bin nicht Ihre Beichtmutter, Elisabeth. Es gibt keinen Gott, der Sie bestrafen will. Und keinen Priester, der Ihnen vergeben könnte. Im Augenblick reicht es, wenn Sie wissen, dass Fasten im Dasgupta-Institut verboten ist.«
    Das Mittagessen war fast vorbei. Sie wies mir den Weg und führte mich in den Speisesaal. Ich füllte meinen Teller mit Currynudeln, bediente mich großzügig beim Apfelkuchen und aß wie ein Scheunendrescher.

DEINE SCHMERZEN SIND EINE TÜR
    MEIN TAGEBUCHSCHREIBER WÜNSCHTE , er wäre nicht gekommen. Er ist wütend. Er verabscheut die Abendvideos, die Vorträge von Dasgupta. Er kann nicht stillsitzen. Seine Beine und sein Rücken bringen ihn um.
    Neunzig Minuten. Und der Mann ist so verdammt selbstgefällig. Als wären wir in einem Rotary-Club in Bombay in den Sechzigern.
    Darüber musste ich lachen. Dad war ein großer Rotary-Fan. Der Tagebuchschreiber sucht nach einem Vorwand, um abzureisen.
    Du hast dir den schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht, um hierherzukommen. Du wolltest weglaufen. Zu blöd, dass du vor deinen

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