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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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Leinwand wirkt sie blass und aufrecht, wie kaltes Wachs. Sie ist vollkommen.
    Eine Stunde später, als die Rede vorbei war, als auch das
mettā
der Helfer vorbei war, sagte ich, ich stecke in Schwierigkeiten. In sehr großen Schwierigkeiten. Ich kann nicht Service leisten. Ich brauche Hilfe Hilfe Hilfe.
    Mi Nu saß mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen auf dem Podium. Kühl, blass, aufrecht. Wie eine Kerze, die von der Stille entflammt wird.

ARBEITEN SIE FLEISSIG
    FANNG-GEN SIE VON VOOR-NAN . Acht Uhr. Noch mal von vorn. Halb drei. Und noch mal. Sechs Uhr. Die geführten Sitzungen. Die Stunden der Festen Entschlossenheit. Tag vier. Tag fünf. Tag sechs. Dasguptas körperlose Stimme lädt uns ein, unseren Körper zu erforschen. »Vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen, und von den Zehenspitzen bis zum Scheitel. Gleichgültig gegenüber dem Angenehmen. Gleichgültig gegenüber den Schmerzen. Arbeiten Sie fleißig. Arbeiten Sie fleißig. Sie werden Erfolg haben. Ganz bestimmt.«
    Ich esse schweigend, den Blick auf die Wand gerichtet. Ich sollte ein, zwei Mahlzeiten auslassen. Mein Körper schreit nach Essen. Ich sollte ihn ignorieren. Gleichgültig gegenüber dem Appetit. Gleichgültig gegenüber dem Hunger. Ich verstecke mich unter weiten T-Shirts. Trainingshosen. Ich will mich nicht sehen. Das Wetter ist mild, und zwischen den Sitzungen gehen die Leute auf der Wiese vor der Meditationshalle spazieren. Sie drehen ihre Runden, ohne zu reden, ohne einander in die Augen zu schauen. Wenn es trocken genug ist, um sich hinzulegen, lege ich mich hin. Mir fehlt die Küche. Mir fehlt das Waschen von Reis und Bohnen. Mir fehlt das Kartoffelschälen, das Karottenschneiden, das Abspülen der Essensreste von den Tellern. Der hündische Ralph fehlt mir nicht. Meredith, Paul, Rob und Ines fehlen mir auch nicht. Das Geplapper fehlt mir nicht. Das Geplapperhat mich in die alten Gewohnheiten zurückgeworfen. Du bist ins Dasgupta-Institut gekommen, um zu vergessen, und du dachtest, du hättest vergessen. Du dachtest, du wärst geheilt. Dann hast du plötzlich alles wieder ausgegraben. Vielleicht musstest du nachsehen, was es war, das du vergessen hattest. Du warst noch nicht bereit. Du wolltest nur mal kurz hineinschnüffeln, doch das, was du zutage gefördert hast, hat dich überrollt. Wie eine Welle. Du wurdest hinabgezogen und dann auf den Sand und die Steine geschleudert. Carls Stimme ruft: »Beth Beth Beth!« Sobald du dich nur an ein Fitzelchen dessen erinnerst, was du vergessen musst, hörst du sofort deinen Namen. Jemand ruft deinen Namen. Laut. »Beth! BETH!« Er weiß, dass er mich verloren hat. Aber er hat mich schon lange vorher verloren. Die französischen Jungs auch, die über die Dünen rufen. »Beth! Schwimm zurück!« Das Vordach des Zelts, das im Wind flattert. Das Sirren der Taue. Sag mir, dass es nicht wirklich passiert ist. Sag mir, dass es nicht passiert ist.
    Der Geist ist nicht stark genug.
    Ich bin wieder da, wo ich in den ersten Tagen war, das ist die Wahrheit. Ich bin wieder da, wo ich in den ersten Tagen im Dasgupta-Institut war. Nur dass ich diesmal die Technik schon kenne. Gott sei Dank. Ich weiß, wie ich den Atem auf meiner Lippe spüren kann. Ich weiß, wie man stillsitzt, wie ich mich beruhigen kann, wie ich einen Gedanken ganz schnell ausschalten kann. Die Flut ist stark und die Wellen sind hoch, aber mein Kissen ist ein Fels in der Brandung. Ich kann still darauf sitzen. Meine Zeit im Dasgupta-Institut ist nicht umsonst gewesen. »Arbeiten Sie fleißig, arbeiten Sie fleißig. Dann werden Sie Erfolg haben.« Oh ja, ich glaube daran. Wirklich. Ich muss Vertrauen haben. Dasgupta hat recht. Fleißig beobachte ich meinen Atem, fleißig beobachte ich meinen Körper. Zentimeter für Zentimeter,Pore für Pore. Du
wirst
Erfolg haben. Du musst. Meine Kopfhaut, meine Stirn, meine Schläfen, meine Ohren, meine Nase, meine Lippen, meine Zähne, meine Zunge, meine Wangen, mein Kiefer, mein Hals, meine Schultern, meine Arme, meine Hände, meine Hände.
    Geh weiter, Beth. Bleib nicht beim Angenehmen hängen. Bleib nicht bei den Schmerzen hängen. Ich verstehe jetzt, warum Mi Nu nicht mit mir spricht. Wir dürfen unsere Leidenschaften nicht in der Meditationshalle zum Ausdruck bringen. Wir dürfen nicht die Drama Queen spielen. Wie das Mädchen, das am
vipassanā-
Tag so heftig geschluchzt hat. Für wen hält sie sich? In der Meditationshalle zu schluchzen. Wir dürfen die anderen nicht mit unserem Leid, unserer

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