Sex oder Lüge
gedämpft. Möchten Sie noch etwas, bevor die Show beginnt?“
Jetzt schon? Caleb war so in Gedanken gewesen, dass er erst jetzt bemerkte, wie der Pianist die ersten Akkorde anschlug.
„Nein, danke, alles bestens.“ Schlagartig wurde ihm klar, dass er Candy überhaupt nicht bei ihrem Auftritt sehen wollte. Er wollte sie weder mit dem Barkeeper noch mit jemandem aus dem Publikum teilen. Caleb wollte allein mit ihr sein. Hier zu sitzen, ihr beim Singen zuzuhören und zu beobachten, wie sie durch den Club schlenderte und mit den Gästen flirtete und sie berührte, das war mehr, als er ertragen konnte. Nach allem, was sie gestern Nacht gemeinsam erlebt hatten, war der Gedanke daran, ihr so nahe zu sein, ohne sie so berühren zu können, wie er wollte, einfach unerträglich. Nein, er konnte nicht bleiben.
Aus seinen Taschen suchte er Zettel und Stift hervor und wandte sich erneut an den Barkeeper. „Hey, Alan, haben Sie zufällig einen Umschlag?“
Nach kurzem Suchen brachte Alan ihm einen Fensterumschlag. „Geht das?“
„Bestens. Danke.“ Caleb schrieb seine Notiz für Candy auf, steckte sie in den Umschlag, schob seinen Zimmerschlüssel dazu und überlegte kurz, ob er noch ein Kondom hinzufügen sollte, entschied sich dann aber dagegen.
Auf den Umschlag schrieb er Candys Vornamen und reichte ihn Alan. „Könnten Sie ihr das hier nach der Show geben?“
„Bleiben Sie nicht?“ Alan nahm den Umschlag entgegen und musterte ihn, als könne er durch das Papier hindurch den Inhalt erkennen.
„Geht leider nicht. Mir ist etwas dazwischengekommen.“ Caleb stand auf und hastete aus der Bar, bevor Alan ihn nach Details fragen konnte. Er hätte ihn ohnehin belügen müssen. „Bitte sorgen Sie dafür, dass Candy die Nachricht bekommt.“
Wie an jedem Abend setzte Miranda sich nach der Show noch in ihrer Aufmachung als Candy an die Bar, um sich mit Alan zu unterhalten, bis er die Bar schloss. Doch im Gegensatz zu sonst gelang es ihr nicht, sich zu entspannen.
Heute Abend hatte sie all ihre Emotionen in jeden einzelnen Song gelegt und es kaum erwarten können, endlich gegen Ende des Auftritts von der Bühne ins Publikum zu gehen. Wenn sie zu früh die Bühne verließ, war das Publikum noch nicht bereit, und wenn sie es zu lange hinauszögerte, dann konnten die Pärchen im Publikum es bereits nicht mehr erwarten, zurück in ihre Hotelzimmer zu kommen.
Seltsam, dass sie gestern bis zum allerletzten Lied gewartet hatte. Sonst ging sie immer schon ein paar Songs früher von der Bühne.
Was war gestern so anders gewesen, dass sie den üblichen Ablauf geändert hatte? Miranda wollte gar nicht daran denken, was sie versäumt hätte, wenn alles wie immer gelaufen wäre.
Aber das war gestern gewesen. Beim heutigen Auftritt war es ihr schwergefallen, nicht ständig an Caleb zu denken, während sie ein Liebeslied nach dem anderen gesungen hatte. Sie liebte ihn zwar nicht, aber die Lust und Faszination, die er in ihr weckte, machten sie rastlos.
Dann hatte sie enttäuscht erkennen müssen, dass er ihr überhaupt nicht zugehört hatte. Und anschließend, in der Bar, hatte sie ihn auch nicht gesehen. Wieso war er nicht gekommen?
„Mach mir den größten Appletini, ach, am besten gleich zwei.“
Alan fing an, ihr den Drink zu mixen. „Möchtest du nicht lieber erst einen austrinken, bevor ich dir den zweiten zubereite?“
Wieso? „Nur weil mich ein Mann versetzt, glaubst du, ich vertrage keine zwei Drinks?“
„Ehrlich gesagt hat er dich überhaupt nicht versetzt.“ Geschickt mixte er Apfelschnaps mit Wodka, Apfelsaft und Cointreau.
Sofort blickte sie sich überall in der Bar um. Alles leer. Auch die Nische, in der Caleb am Vorabend gesessen hatte. „Was meinst du damit? Was redest du da?“
Aus der Tasche seiner Schürze zog er den Umschlag mit ihrem Namen hervor. „Er hat dir eine Notiz geschrieben.“
„Caleb?“ Caleb hatte ihr eine Nachricht hinterlassen? Und Alan hatte die Nerven, ihr das jetzt erst zu sagen? Das war alles andere als lustig.
„Von wem erwartest du denn sonst noch eine?“
„Gib sie mir schon.“ Ihr Herz klopfte wild, als sie sich über die Bar lehnte, ihm den Umschlag aus der Hand riss und ihn sich ins Dekolleté steckte.
Alan lachte schallend, schenkte ihr den Drink ein und reichte ihr das große Martiniglas. „Ich komme mir vor, als sei ich wieder auf der Highschool.“
„Das lese ich lieber allein, vielen Dank auch.“ Mit dem Drink in der Hand stieg sie vom
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