Sex oder Lüge
Strähne aus der Stirn, legte jemandem die Hand auf die Schulter oder ließ einen Finger über den Arm seiner Begleiterin gleiten. Ob Mann oder Frau, die Sängerin verführte sie alle. Auch Caleb verfiel ihrem Charme.
Alles an ihr wirkte erotisch. Jeder Schritt, ihre rauchige Stimme, ihr Augenaufschlag und die Art, wie sie mit der Zungenspitze über ihre Lippen glitt.
Caleb war klar, dass er nicht der einzige Mann hier im Raum war, der weiche Knie und feuchte Hände bekam. Sein Puls raste. Mit ihrem Auftritt erregte Candy Cane mühelos jeden Mann im Raum.
Zwar saß er als Einziger im Publikum ohne Partnerin am Tisch, doch ihm war klar, dass er selbst in Begleitung seiner Mutter, eines Priesters oder einer Partnerin durch Candy Canes Ausstrahlung eine Erektion bekommen hätte.
Dann geschah etwas Merkwürdiges. Candy Cane stellte sich an eine ganz bestimmte Stelle und lehnte sich im perfekt ausgerichteten Scheinwerferlicht rücklings an ein Sofa.
Obwohl der Moment sofort wieder vorbei war, weil die Sängerin sich zum nächsten Gast hinunterbeugte, erstarrte Caleb innerlich.
Anstatt wegzusehen, musterte er sie. Er war sich sicher, dass es nichts damit zu tun hatte, dass er auf leeren Magen zu viel Scotch getrunken hatte. Ihr Gesicht kam ihm bekannt vor, genau wie er zu Beginn ihres Auftritts ihre Stimme wiedererkannt hatte.
Er sehnte sich nach einem starken Kaffee, um wieder nüchtern und wach zu werden, damit er die Eindrücke, Erinnerungen und Gedanken sortieren konnte, die ihm durch den Kopf gingen.
In seinem Job war er auf Gerüchte angewiesen. Er hörte zu, prüfte, recherchierte und verwarf. Das tat er jetzt seit zehn Jahren für seine Kolumne über die Welt der Stars und Sternchen. Anfangs waren seine Beiträge noch klein und bescheiden erschienen, hatten sich im Lauf von zwei Jahren aber zu einer landesweiten Institution entwickelt. Mittlerweile war seine Kolumne so bekannt, dass es sogar eine eigene Website dazu gab. Immer wieder beriefen Fernsehsender sich in ihren Reportagen auf seine Texte.
Caleb McGregor schrieb unter dem Pseudonym Max Savage. Max Savage wurde geliebt, verehrt und gefürchtet. Politiker, Prominente und Großindustrielle, niemand war vor seinen bissigen Kommentaren sicher, wenn er ein Ereignis für würdig befand, darüber zu berichten.
Hier im Hotel und im Club wusste niemand, wer er war, geschweige denn, dass er exklusiv zu einem sehr privaten und geheimen Ereignis eingeladen war – zur Hochzeit von Ravyn Black und Teddy Eagleton. Während der nächsten Tage würde er über die Vorbereitungen für dieses wichtige Event berichten. Wie üblich in solchen Situationen behauptete er, ein Mitglied des Teams von Max Savage zu sein. Nicht einmal Ravyn wusste, dass er selbst Max war.
Seine Identität kannten nur sein Agent, sein Anwalt und sein Herausgeber.
Im Lauf der Jahre hatte er gelernt, wie vorteilhaft es war, das Privatleben aus dem Rampenlicht der Öffentlichkeit herauszuhalten. Dadurch würde es ihm auch leichter fallen, die Rolle als Max Savage aufzugeben und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Nur noch diese Hochzeit und ein letzter Paukenschlag, dann würde Max Savage auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Gelangweilt auf eine große Story zu warten, das war nie etwas für ihn gewesen. Lieber jagte er Gerüchten nach, auch wenn die sich als falsch herausstellten. Allerdings hatte er nie damit gerechnet, dass er letztlich auf dem Niveau landen würde, das heutzutage zu seinem Arbeitsalltag gehörte. Er war es leid, über Prominente zu berichten, die ohne Unterwäsche aus dem Haus gingen oder private Sexvideos drehten, um auf diesem Weg ins Rampenlicht zu kommen.
Genauso wenig hätte er geglaubt, jemals das Vertrauen eines Freundes zu enttäuschen, weil er nur noch an die Story gedacht und alles andere vergessen hatte. Mit seinem Bericht hatte er eine Karriere zerstört und einen Freund verloren.
Leider konnte er das, was im letzten Monat geschehen war, nicht mehr rückgängig machen. Er hatte seinen besten Freund Del, einen sehr bekannten Musiker, bloßgestellt, weil der ihm im Vertrauen vom Drogenproblem seiner Verlobten erzählt hatte.
Die Vergangenheit konnte Caleb nicht ändern, aber er konnte zumindest dafür sorgen, dass es nicht wieder geschah.
Im Moment jedoch musste er sich ganz auf die Gegenwart konzentrieren, denn Candy hatte ihre Runde durch den Club beendet und kam jetzt auf ihn zu.
Als männlicher Single, allein an einem der kleinen Tische, gab er das
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