Sex und Folter in der Kirche
sich
einfacher Themen und Gegenstände, zum anderen war 1769 das
berüchtigte Kriminalgesetzbuch der Kaiserin Maria Theresia (Con-stitutio Criminalis Theresiana) erschienen.
Dieses Werk, das im Namen einer recht freundlich wirkenden,
aber unnachgiebig katholischen Herrscherin Inquisitionsverfahren und Folter detailliert regelte, hinkte bereits bei seinem Erscheinen hinter der Zeit her; immerhin hatten England und Preußen die
Folter abgeschafft. Doch wirkte es bis in die letzten Amtsstuben der Monarchie hinein, nicht zuletzt aufgrund seiner beispiellosen Akri-bie, mit der die Methoden der Marter — vor allem ihre schrittweise vorzunehmende Steigerung - beschrieben waren. Hier tobte sich bürokratischer Geist aus, alles war normiert, und weder die Dicke der Stricke, die Anzahl der Knoten in den Fesseln, die Lage der Nägel und Schrauben noch der Grad bleibender Verletzungen, die für die Anwendungsgrade erlaubt waren, blieben dem Zufall überlassen. So zeigt die Ingenieurzeichnung die Kräftelinien an, die bei Daumenschrauben wirken — und sich genau über den Fingernägeln kreuzen. Eine andere Zeichnung90 beschreibt das System der
Streckleiter, näherhin die Zahl der brennenden Kerzen von genau vorgeschriebener Länge, die an den ausgerenkten Schultern, Arm-beugen und Hüftknochen angebracht werden durften, um dem
Opfer Verbrennungen bis zum dritten Grad zuzufügen.
Die Eiserne Jungfrau (Nürnberg, fünfzehntes Jahrhundert): Ein ganz aus Eisen gefertigter Kasten in der Form eines bis zur Erde 206
reichenden Umhangs; das aufgesetzte Kopfteil trägt ein Frauengesicht. Die Dornen auf der Innenseite der Türen und auf der Rück-seite konnten wahrscheinlich nach den Anforderungen des jeweiligen Urteilsspruchs in unterschiedlichen Konstellationen ange-
bracht werden. Sie waren damit mehr oder weniger tödlich oder wirkten mehr oder weniger verstümmelnd. Die erste Exekution
mit diesem Instrument ist auf den 14. August 1515 datiert; das Gerät war aber schon Jahrzehnte zuvor in Gebrauch. Der zur
Folter und Exekution freigegebene Mann wurde damals in ihr
Inneres gestellt, und die Türen schlossen sich langsam, so daß »die scharfen Dorne seine Arme durchstachen, und an etlichen Stellen seine Beine, und seinen Bauch und seine Brust, und seine Blase und die Wurzel seines Glieds, und seine Augen und seine Schultern, und seinen Hintern, ihn aber nicht töteten; und so verblieb er und machte ein groß Geschrei und Wehklag zwei Tage lang, bevor er starb«91.
Die eisernen Käfige92: Bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung waren europäische Stadtansichten überzogen von solchen Käfigen. Sie hingen an den Außenseiten der Rathäuser, Fürstenpaläste, Gerichtsgebäude, Kirchen und baumel-ten an hohen eisernen Galgen, die vor den Toren an wichtigen
Straßenkreuzungen standen. Die nackten Opfer wurden einge-
sperrt; sie starben an Hunger und Durst, im Winter an Unterkühlung, im Sommer an Hitzschlag oder an Verbrennungen durch die Sonne. Die verfaulenden Leichen wurden gewöhnlich in den Käfigen belassen, bis die Gebeine verfielen.93 Doch hielt auch der technische Fortschritt seinen Einzug in diesen Wahn: Manche Maschinen wurden eigens mit Blitzableitern versehen und Leichname mit der Zeit hermetisch in gehärtetes Harz eingelassen, um den vermeintlich heilsamen moralischen Abschreckungseffekt zu verlängern.94 Freilich ist schon lange bekannt, daß Strafen, die Menschen abschrecken sollen, bei unzähligen Zuschauern gerade diesen Effekt nicht haben. Wohl aber einen anderen: den Wunsch, weiter zuzuschauen, zu quälen, zu töten.95 Nebenbei: Die Universitäts-und Bischofsstadt Münster/Westfalen stellt Folterkäfige bis heute an einer Kirche der Innenstadt zur Schau; Busladungen von Touri-sten bekommen sie bei Stadtbesichtigungen vorgeführt. Die Schamlosigkeit gegenüber den Opfern (»Wiedertäufer«) stört offenbar noch 1994 keinen Verantwortlichen der christdemokratisch regier-207
ten Kommune.
Die Zangen: Platt- und Kneifzangen sowie Scheren, kalt oder zumeist glühend heiß gebraucht, sind hervorragend dazu geeignet, jedes Glied zu quälen und bei Bedarf sogar zu entfernen. Kein Wunder, daß die simplen Geräte zur Grundausstattung des europäischen Folterkellers gehörten. Sie wurden vor allem an Nasen, Fingern, Zehen und Brustwarzen angesetzt. Flachzangen dienten zum Abreißen oder Abbrennen des Penis. Männliche Geschlechtsteile wurden im Vergleich zu den weiblichen Genitalien
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