Sex und Folter in der Kirche
allein; Inquisition ist Ausdruck roher Gewalttätigkeit, Synonym für unversöhnlichen Heilsfanatismus, fieberhaft sexuelle Ausbrüche, Gewalttaten, wie sie in jedem (gerade zeitgenössischen) inquisitorischen Folterverfahren auftreten. »Die« Inquisition gibt es nicht mehr, Inquisitionen sehr wohl. Sie können auf die christliche Vergangenheit und ihre exemplarischen Methoden zu-rückgreifen. Deren Anwender waren der Überzeugung, als Folterer und Menschenschlächter »Arm der göttlichen Vorsehung zu
sein«63, auffällig bemüht, das Gesicht ihres Opfers gen Himmel zu richten, damit es »so Buße tue, wie es Unserem Herrn gefällt«64.
Wer sich mit Kirchengeschichte und Papstbiographien befaßt,
sollte die unauslöschliche Schande einer Religion nicht von vornherein übersehen.
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Maschinerie der Martern
Da ich über eigens konstruierte Maschinen spreche, nenne ich
andere Folterarten erst gar nicht: nicht die noch übliche65 Anwendung der Wasserfolter66, bei der Unmengen von Wasser durch
einen Trichter in den Leib des gefesselten Opfers gepreßt wurden, dem hin und wieder auch After und Harnröhre verstopft und
zugebunden worden waren, um jedes Ausfließen zu unterbinden.67
Ich nenne nicht das Beil zum Abschlagen von Händen und Füßen, das im christlichen Europa bis zum Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts zu den Normalstrafen zählte — und bei weitem der Zer-trümmerung der Hände auf einem Amboß vorzuziehen war.68 Ich
nenne nicht das Brandmarken69, nicht die auch heute angewandte Behinderung des Schlafes70, nicht das Einmauern und langsame
Verhungernlassen (das die Inquisition als eine Art Begnadigung betrachtete!)71, nicht das Abschneiden von Nasen und Ohren als eine bevorzugte Strafe für Dirnen.72 Immerhin wurden während der französischen Religionskriege abgeschnittene Ohren auch als Trophäen des Sieges der wahren Konfession über die irrige getragen; ein reformierter Chevalier rühmte sich, öffentlich eine Halskette zu tragen, die aus den Ohren von katholischen Priestern bestand.73
Ich spreche nicht vom Ausweiden, einer häufig durchgeführten
Methode der Exekution, bei der der Bauch des Opfers geöffnet, ein Teil des Darmes herausgenommen und an einer Trommel befestigt wird.74 Der Rest der Eingeweide wird langsam aufgerollt; das
Opfer ist während des größten Teils dieser Folter bei Bewußtsein.75
Ich spreche auch nicht über eine Folter, die Juden traf, die kleinere Diebstähle begangen hatten: Sie wurden an den Füßen zwischen
zwei ausgehungerten Hunden oder Wölfen aufgehängt. Da auch
diese Tiere an den Hinterbeinen aufgehängt waren, können wir uns vorstellen, was ihr Schmerz und ihr Hunger auslösten.76
Alle Folter- und Hinrichtungsarten sind bildlich belegt;77 die künstlerische Komposition verwendet die Form einer öffentlichen Theaterinszenierung: Requisiten, Staffage, Protagonisten, Publikum. Auf vielen Darstellungen fällt die Geschäftigkeit der beteiligten Mönche und Kleriker auf.78 Doch auch Logen für die Promi-
nenz sind vorgesehen; die schuldige Obrigkeit, das Staats- und 203
kirchenstützende Personal, schaut von Amts wegen zu. Die Spitzen der Gesellschaft beweisen wohlgefälligstes Interesse.79 Manch pro-minenter Zuschauer, der nicht selbst Hand anlegt, ist mit einem prächtigen Gottvaterbart geschmückt.80 Was es von Fall zu Fall zu sehen gab?
Halsketten beispielsweise für Taugenichtse und Christen, die den Besuch des Gottesdienstes versäumten: Diese relativ ungefährlich aussehenden Instrumente dienten der öffentlichen Verspottung. An manchen Orten waren Halsketten nur für Raucher, Trinker und
Spieler vorgesehen. Der Rosenkranz (Länge etwa ein Meter, Gewicht um die acht Kilogramm) legte sich um den Hals jener, die sich die geringste Unregelmäßigkeit beim Besuch des sonntäglichen
Gottesdienstes hatten zuschulden kommen lassen. Er stellte eine Art väterliche Warnung dar, bevor zu den ernsteren Mitteln des Arrests oder der Folter gegriffen wurde, um den Besuch der gottes-dienstlichen Übungen sicherzustellen. Doch hatte es die bloße Warnung in sich: Ihre Opfer verspürten nach wenigen Tagen und
Nächten heftige Schmerzen. Falls sie auf dem Marktplatz oder vor einer Kirche ausgestellt wurden, waren sie einer schmerzhaften Zusatzbehandlung preisgegeben; diese konnte wie der Pranger
selbst tödliche Folgen haben.81 Auch die Halsgeige mit ihren verwandten Formen war kein bloß diffamierendes Gerät; ihre Wir-
kung auf Nacken und Handgelenke
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