Sexualitaet mit Leib und Seele
vor allem davon ab, wie präsent wir dabei sind. Dann kann es immer wieder aufs Neue schön sein, wie etwa bei dieser Seminarteilnehmerin:
»Badminton mit seinem Kollegen, danach Sauna und Weiß bier, anschließend nach Hause und Sex mit mir – das ist seit einiger Zeit ein gelungener Donnerstagabend. Mein Mann steht normalerweise ständig unter Strom, aber an diesen Abenden ist er so wunderbar entspannt, dass er mir sogar zuhört. Es macht mir gar nichts aus, dass immer alles identisch abläuft, ich liebe unseren Donnerstag-23.30-Uhr-Sex.«
Wenn beide Partner einen vollen Terminkalender oder wegen der Kinder kaum Zeit für sich haben, wird eine kostbare freigeschlagene Stunde leicht mit Erwartungen überfrachtet. Erregung ist bei einer solchen Verabredung selten von Beginn an da. Doch wir brauchen sie auch nicht, um guten Sex zu haben.
Wenn Sie nicht wild aufeinander sind und sich dennoch Zeit nehmen, um der tiefen, warmen und beständigen Glut der Intimität nachzugehen, bleibt genügend Raum dafür, den anderen zu spüren, die Gefühle, die man füreinander hat, auch beim Liebemachen wahrzunehmen. Und wenn Sie dabei sehr präsent sind, können Sie das Ergebnis Ihres Zusammenseins eher offenlassen. Es ist dann egal, ob es zum Orgasmus kommt oder nicht. Dafür hat das gemeinsame Erleben, das Miteinander-verbunden-Sein einen Platz in Ihrem Sex. Danach ist man meist tief erfüllt und nicht nur kurz befriedigt.
Für diesen Sex brauchen Sie auch kein schnelles Kopfkino. Der Körper ist intensiv beteiligt, und es entsteht eine erotische Grundwärme, die angenehme Glut. Mit ihr können Sie entspannt darauf vertrauen, dass auch wieder lodernde Flammen möglich sind, etwa dann, wenn das Baby durchschläft oder die Überstunden abgefeiert werden können.
Vergessen Sie getrost die Jagd auf ekstatische Momente. Es ist, wie ständig Kuchen essen zu wollen, anstatt das gute Brot der Liebe wertzuschätzen. Bewusst gestaltete Sexualität braucht nicht ständig neue »erste Male«, sondern erotische Verbundenheit. Die kann auch Schwächen und Fehler des Partners tragen – weil wir ihm in seiner tieferen Schönheit begegnen.
Noch längst ist nicht alles gelaufen
Eine bewusste Sexualität macht auch eine gelassene erotische Neuorientierung älterer Paare leichter. Der Niedergang der Sexualhormone bedeutet zwar das Ende des Reproduktionszeitalters, dafür berichten mir viele Menschen, dass sie das Gefühl haben, freier entscheiden zu können, nicht mehr so getrieben zu sein.
Zweifellos ist die Versuchung groß, sich gehen zu lassen. Wir können vor Muskelabbau und Fettzunahme kapitulieren, deprimiert zusehen, wie die alten Ziele und Wünsche wegbrechen. Aber ab fünfzig muss es nicht nur bergab gehen. Manches ist gelaufen, erledigt, liegt hinter einem – was auch bedeutet, dass neue Freiräume entstehen. Wichtige Karten sind ausgespielt, doch vielleicht findet man jetzt erst den einen oder anderen Joker in seinem verbliebenen Blatt? Viele Menschen haben jenseits der fünfzig ihre wirklich großartigen Leistungen vollbracht. Nicht alles Bedeutsame entsteht in der Zeit jugendlicher Sturm-und-Drang-Energie oder in der Phase zwischen dreißig und fünfzig, die man mit einer Top-Effizienz verbindet.
Für den Sex gilt Ähnliches: Der Druck lässt überall nach. Ob im Bindegewebe, in der Psyche oder im Schwellgewebe … Nehmen Sie es gelassen hin, anstatt sich dadurch stressen zu lassen. Finden Sie den Sex, der zu Ihnen passt, der sich stärker am Genießen orientiert als an bestimmten »Standards«. Präsenz brauchen Sie dafür eher als Geilheit. Und vielleicht ein gutes Gleitmittel. Wenn Sie als Paar gemeinsam lustvoll alt werden wollen, pflegen Sie die Glut, die Intimität. Das ist nachhaltig, wie dieser Mann erzählt: »Sonntagnachmittag ist unsere Zeit. Wir haben im Urlaub entdeckt, dass Sex während der Siesta für uns am besten ist. Dazu legen wir uns aufs Bett und entspannen erst einmal. Anschließend bekommen wir oft Lust aufeinander, aber die ist mehr so ein Hingezogensein, nichts Aufregendes. Meine Erektion ist nicht mehr so zuverlässig, und wir sagen immer, dass wir bloß kuscheln. Dass überhaupt nichts passieren muss. Aber oft passiert etwas. Es ist mir fast lieber, wenn ich keinen Orgasmus habe, dann werde ich hinterher nicht so müde. Meine Frau hat selten einen, aber mag trotzdem gern, was wir tun. Wir liegen dann noch längere Zeit zusammen und genießen das schöne Gefühl im Bauch.«
Bei den meisten Paaren
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