Sexualitaet mit Leib und Seele
auch noch aktiv spielen lassen. Damit Sie sich Ihre Körperbasis besser vorstellen und erobern können, sind ein paar pragmatische Informationen ganz nützlich: Wie ist der Beckenboden aufgebaut, und welche Funktionen hat er?
Es sind drei Muskelschichten, die in unterschiedlicher Weise am Sex beteiligt sind. Die unterste Schicht besteht aus den Schließmuskeln von Blase und Darm. Der vordere Anteil davon ( Musculus bulbospongiosus und Musculus ischiocavernosus ) schwillt bei Erregung kräftig an. Bei der Frau verengt er den Scheideneingang und macht diesen Bereich empfindlicher. Insbesondere die Klitoris wird empfänglicher für Stimulation. Beim Mann arbeitet diese Muskulatur an der Erektion mit – was sich durch willkürliche Kontraktionen direkt beeinflussen lässt. Erkennen können Sie es daran, dass der erigierte Penis ein wenig »hüpft«, wenn Sie diesen Muskel anspannen. Das bedeutet: Mit einem aktiven Beckenboden können Sie auf den Zustand Ihres Penis Einfluss nehmen.
Die Schließmuskeln werden meist gut wahrgenommen, da wir sie bei jedem Gang auf die Toilette einsetzen. Dagegen ist die mittlere Schicht ( Diaphragma urogenitale ) schwerer zugänglich. Bei Frauen ist sie nicht selten zu schwach, bei jungen Männern meist chronisch verspannt. Und bei älteren Menschen beiderlei Geschlechts lässt die Kraft dieser Schicht deutlich nach. Sie ist bedeutsam für die Kontinenz und formt beim Mann eine solide Platte aus Muskeln und Bindegewebe, während sie bei der Frau von der Vagina durchbrochen wird. Das bedeutet, dass bei jeder Geburt diese Schicht stark strapaziert wird. Aber auch, dass genau sie eine aktive Rolle in der Liebe spielen kann, weil Frauen bei der Vereinigung den Penis ihres Gefährten damit umfassen und drücken können. Mir ist nicht bekannt, dass sich jemals ein Mann darüber beschwert hat. »Ahhs« und »Ohhs« sind garantiert, wenn Sie die damit verbundenen Muskeln kräftig spielen lassen. Und für Frauen, die nach einer Geburt eine weite Vagina haben (Lost-Penis-Syndrom), ist dieses Können für den gemeinsamen Sex ein wahrer Segen.
Männer haben selten spürbare Probleme mit dieser Muskelschicht, aber wenn sie sie aus ihrer Dauerverspannung befreien, wird der Orgasmus intensiver. Außerdem pulsiert die Prostata kräftiger, was hilft, dieses Organ gesund zu erhalten.
Die innerste und damit dritte Schicht ( Diaphragma pelvis ) befindet sich tief im Becken und spielt bei der Frau eine wichtige Rolle, um die dort vorhandenen Organe zu stützen. Als Muskelkontraktion ist diese verborgene Schicht nicht unmittelbar zu spüren, aber das muss man zum Glück auch nicht, um sie zu trainieren: Man aktiviert sie mit Beckenbewegungen – und das macht uns zugleich zu geschmeidigen und beweglichen Liebhaberinnen und Liebhabern.
Bei Männern werden steife Stöße zu dynamischen Wellen, wenn sie lernen, ihren Unterkörper sinnlich einzusetzen. Und bei Frauen wandelt sich das ekstatische Herumzappeln zum kreativen Spiel – ein bewegliches Becken will kreisen und umschlingen, rollen und einsaugen, mit kräftigen und zärtlichen Kontraktionen zur Lust beitragen. Ein aktiver Beckenboden macht das Liebesspiel körperlich eindringlicher und lebendiger, ohne übertriebene Akrobatik.
Entdeckung der geheimen Kraft im Becken
Wieder heil und stark werden
Mit einem Beckenbodentraining kräftigen Sie nicht nur Ihre Muskulatur, sondern verbessern auch die Wahrnehmung Ihres Unterleibs. Der ist vielen genauso unbekannt wie die Rückseite des Mondes. Von Frauen höre ich immer wieder: »Ich spüre mein Becken gar nicht richtig.« Oder: »Es ist wie ein blinder Fleck in meinem Körperbewusstsein.« Männer haben meist nicht den geringsten Zugang zu dem, was hinter ihren Genitalien liegt.
Der Unterleib ist ein Körperteil, der vielfach traumatisiert ist, behaftet mit Scham, Verboten, Tabus und zwiespältigen Gefühlen. Und oftmals beschließt das Gehirn, alle Empfindungen im Becken zu dämpfen. Damit beschneidet man sich aber auch im erotischen Fließen, Genießen und Wohlfühlen.
Die Beschäftigung mit dem Beckenboden ist eine einfache und relativ unverfängliche Annäherung an den unteren Körperbereich, dort, wo Himmel und Hölle Tür an Tür zu finden sind. Für Frauen, die nur »normale« Verletzungen erfahren haben – verklemmte Erziehung, schmerzhafte Periode, unbeholfener Sex –, ist das Kennenlernen ihres Beckenbodens ein interessanter Weg in ein kaum bekanntes Land. Frauen, die sexuellen Missbrauch
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