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SGK264 - Im Wartesaal der Leichen

SGK264 - Im Wartesaal der Leichen

Titel: SGK264 - Im Wartesaal der Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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ihr zu, ohne
ein Wort zu sagen.
    Keong prüfte das Ausweispapier und entschuldigte sich dann. »Wenn
das so ist, sehe ich natürlich keinen Grund, Ihnen den Zutritt nicht zu
gestatten. Offensichtlich hängt es mit diesen komischen Berichten über die
Gespenstererscheinungen zusammen, nicht wahr ?«
    Su nickte. »Ob Gespenstererscheinung oder nicht - ist bis zur
Stunde noch nicht geklärt. Es gibt Leute, die behaupten, die Toten nicht nur
gesehen - sondern auch gefühlt zu haben .«
    Über das stille, schmale Gesicht des Mannes huschte ein Schatten.
»Dummes Gerede! Die Zeitungen wissen mal wieder nicht, worüber sie schreiben
sollen. Da saugen sie sich solche Geschichten aus den Fingern. Ich habe Respekt
vor den Toten in diesem Hotel. Und ich weiß, daß es hier spukt. Nur hier -
nicht draußen in der Welt. Doch die Geister lassen einen in Ruhe, solange man
sie in Ruhe läßt .«
    Er trat zur Seite und ließ die späten Besucher ein.
    Der Korridor war kahl und kühl.
    Eine hohe, schmale Holztür führte links in eine kleine Wohnung, wo
Keong lebte. Das große, schlichte Gebäude war nur ein Stockwerk hoch.
    Ohne daß er danach gefragt wurde, fing der Wächter dieser alten
Verwahrungsstätte über seine Probleme mit dem Leichenhotel zu sprechen an.
    »Diese Geschichten, die zur Zeit in der Öffentlichkeit grassieren,
haben meiner Meinung nach nur einen einzigen Grund. Die Leute, die ihre Toten
hier haben, machen sich wohl Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Der
Platz wird immer knapper. Es ist kaum mehr ein Zimmer frei. - Wir mußten im
letzten Monat übrigens die Miete für ein geräumiges Einzelzimmer auf neunzehn
Dollar erhöhen, während wir die Plätze im überfüllten Empfangssaal immer noch
bei zwanzig Cents halten konnten. Wir haben natürlich auch viele Gäste hier,
für die wir überhaupt keine Mittel mehr erhalten .«
    Er seufzte und öffnete eine Tür rechts. Dahinter lag ein
geräumiges Zimmer, in dem eine ältere Stahlkiste stand.
    »Darin liegt der Kaufmann Thang. Vor siebzig Jahren brachte man
seine sterblichen Überreste hierher. Seine Miete wird schon lange nicht mehr
bezahlt. Es gibt keine Nachkommen .«
    Dann führte er sie in den großen Empfangssaal.
    Der Platz dort war so beengt, daß man die meisten Särge inzwischen
aufrecht gestellt hatte, um für Zuwachs Raum zu schaffen.
    In der Dämmerung waren die Särge, Stahlkisten und Körbe, die
zahlreich hier standen, zu sehen.
    »Es klingt doch lächerlich, nicht wahr, wenn behauptet wird, daß
die Gäste aus diesem Haus in der Stadt gesehen worden sein sollen. Tote sind
tot, sie bewegen sich nicht mehr. Wenn es anders der Fall wäre, würde dieses
Haus aus Platzmangel wohl nicht aus allen Nähten platzen. Und außerdem frage
ich mich, wie es möglich sein soll, daß die Toten über das Wasser kommen.
Vielleicht fliegen oder schweben sie .«
    »Oder es gibt jemand, der sie hinüberschafft«, murmelte Su Hang,
die die ganze Zeit über noch kein weiteres Wort wieder gesagt hatte, um das
Mitteilungsbedürfnis des alten Mannes nicht zu stören.
    »Aber - wer sollte an so etwas Interesse haben ?« Keong schüttelte zweifelnd den Kopf.
    »Jemand, der etwas im Schild führt und dessen Pläne wir noch nicht
durchschauen«, entgegnete Su Hang mit leiser Stimme.
    Die ganze Zeit über hatte sie ihren Gesprächspartner nicht aus den
Augen gelassen und ihn aufmerksam beobachtet. Gab es etwas Augenfälliges an diesem
Mann. Verhielt er sich so wie immer? Su konnte es nicht entscheiden, da ihr der
Vergleich fehlte. Sie hatte Keong nur während einer Beisetzung mal gesehen. Und
der Mann erinnerte sich an das Vorkommnis, das einige Jahre zurücklag,
verständlicherweise nicht mehr.
    Er führte die drei Besucher zum Sarg Lee Tsus.
    Mi nagte nervös an ihrer Unterlippe. Das Antlitz der jungen
Chinesin war weiß wie ein Leichentuch. Man sah Mi Tsu an, wie unwohl sie sich
in dieser Umgebung fühlte.
    Der große Empfangsraum mit Särgen, Stahlkisten und Körben
verbreitete Beklemmung.
    An der Decke in der Mitte des Saales hing eine nackte Birne, die
trübes Licht verbreitete. Das Kabel befand sich in stets pendelnder Bewegung,
die durch den Luftzug verursacht wurde, der durch die winzigen, vergitterten
Fenster unterhalb der Decke eindrang.
    Das unruhige Licht- und Schattenspiel auf den Totenkisten und grob
geflochtenen Körben, in denen in Ermangelung eines Sarges Leichen auf ihren
Transport in die Volksrepublik warteten, verstärkte den unheimlichen Eindruck
nur

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