SGK330 - Tanzplatz der Verfluchten
anders, als man
denkt, Towarischtsch«, erklang die markante Stimme des Russen aus dem winzigen
Lautsprecher im Ring. »Hier gibt’s ’ne Menge zu tun. Das war anfangs gar nicht
absehbar. Unser großer Boss , X-RAY-1, scheint mal
wieder die richtige Nase gehabt zu haben...«
X-RAY-1 war niemand anders als Larry
Brent. Ein Vermächtnis hatte ihn dazu gemacht, die Rolle des Leiters der PSA zu
übernehmen. Doch das durfte niemand wissen.
Brent hatte aufgrund aller
vorliegenden Informationen und Computerauswertungen die Entscheidung getroffen,
den Ort der merkwürdigen Ereignisse aufzusuchen und das Gespräch mit dem
letzten Überlebenden der Gruppe in Gang zu bringen. Es stand eindeutig fest, dass es in jener Nacht vom 30. April auf den 1. Mai ein
Vorkommnis gab, das nicht in den Alltag passte . Dem musste man auf den Grund gehen, erstens, um eine
Wiederholung nach Möglichkeit zu verhindern, zweitens, um das Schicksal der
fünf jungen Menschen zu klären.
Das Außerordentliche, das geschehen
war, und über das vorerst nur Horst Kaichen Auskunft geben konnte, passte in keine, ihm bekannte Kategorie.
»Gibt’s etwas Besonderes ?« fragte Larry sofort interessiert. Er redete leise. Die
hochempfindlichen Mikrofone in dem PSA-Ring erfassten jeden Laut.
»Das Gespräch mit dem Bauern Gessler war schon recht informativ, Towarischtsch. In jener
Nacht hatte er ein Erlebnis, wie er mir gestanden hat. Es ist ihm jemand
erschienen. Ein Mädchen aus dem Dorf, das zu seiner Zeit als Hexe verschrien
war. Ihre Zeit liegt allerdings fast zweihundert Jahre zurück. Komisch, nicht
wahr?«
»Es ist unsere Aufgabe, komischen
Dingen nachzugehen. Und es wird schon weniger komisch, wenn ich dir sage, dass auch ich einen Hinweis auf die Vergangenheit habe...«
Larry Brent berichtete von Kaichens Ausführungen. »Er
glaubt fest daran, einen Moment in die Vergangenheit gesehen zu haben. Hier
zeigen zwei Wahrnehmungen Übereinstimmung. Kaichen hat übrigens von einer
Erderschütterung gesprochen .«
» Gessler hat
sie nicht erwähnt. Er ist lediglich überzeugt davon, dass die >rote Selma< ihren Fluch wahrmachen, den Hof übernehmen und alle
töten wird, die sich dort aufhalten werden. Die Nacht vom 30. April auf den 1.
Mai scheint ihm dafür gelegen zu sein. Er hat seine Frau bereits veranlasst , abzureisen. Er hat sie zu einer Schwester
geschickt. Peter Gessler ist allein im Haus. Er hat
mir die Geschichte von der
verfluchten Hexe Selma erzählt .«
»Und die lautet ?«
»Sie lebte - wie bereits erwähnt - vor
knapp zweihundert Jahren im Dorf. Sie muss ein
bildschönes Weib gewesen sein, noch keine zwanzig. Die Männer waren hinter ihr
her wie die Bienen hinter einem Honigtopf... Selma hat viele verführt .«
»Bienen oder Honigtöpfe?«
»Natürlich Männer, du Witzbold! Die
Ehefrauen waren aus diesem Grund nicht gut auf sie zu sprechen .«
»Was man durchaus verstehen kann .«
»Was man noch über sie weiß, ist recht
fadenscheinig. Sie soll sogar Luzifer höchstpersönlich als Gast in ihrer Kammer
gehabt haben. In einer alten Chronik, die ich auftreiben konnte, kommt Selma in
diesem Zusammenhang tatsächlich vor. Angeblich hörte man in dem alten Haus
seltsame Geräusche und sah man nachts Rauch aus dem Kamin steigen. Und im Rauch
soll Selma angeblich - von schwarzen Krähen umgeben - auf einem Besenstil durch
die Lüfte geritten sein ... Es geht noch weiter: Selma trieb jahrelang ihr
Spiel in dem Dorf und auch in den Nachbarorten. Über volle zehn Jahre hinweg,
wenn man den Unterlagen glauben darf. Und in dieser Zeit soll sie um keinen Tag
gealtert sein ...«
»Das ist ja teuflisch !«
»Du sagst es. Sie scheint das
Geheimnis der ewigen Jugend entdeckt zu haben - in Verbindung mit Satan. Da der
Teufel nichts verschenkt, muss sie ihm etwas dafür
gegeben haben: Als erstes ihre Seele. Aber das reichte nicht. In der Zeit, aus
der ich berichte, Towarischtsch, sind laut Chronik viele Jungfrauen des Dorfes
spurlos verschwunden. Auch das brachte man schon früh mit der >roten
Selma< in Verbindung, ohne jedoch offensichtlich einen Beweis zu haben. Die
These besagt, dass Selma sie aus dem Dorf gelockt und
getötet hat. Nachweisen konnte man ihr nie etwas, denn eigenartigerweise
passierte denjenigen, die sie bespitzelten, immer etwas. Sie wurden krank,
starben nach Unfällen oder verließen das Dorf, ohne anzugeben, wohin sie
gingen.
Dann kam der Höhepunkt im Leben der
Hexen-Selma, wie sie auch genannt wurde. Sie hatte überhaupt
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