SGK342 - Das Echsengezücht greift an
einen Zusammenhang gab. Auch wenn die äußeren
Merkmale des Zusammentreffens nur wenig mit denen zu tun zu haben schienen, die
bisher in den anderen Fällen hervorgetreten waren. Die Verantwortlichen waren
nämlich der Meinung, daß der unbekannte Täter ein krankhaft veranlagter Mensch
war, der blindwütigen Haß gegen das weibliche Geschlecht im Herzen trug. Er
hatte sich bei seinen Morden nicht auf einen bestimmten Typ festgelegt, so daß
man hätte sagen können, daß es dieser oder jener Frauentyp war, der seine
abnormen Triebe schürte. Es waren junge und alte Frauen getötet worden, blonde,
brünette und schwarze. Ein Motiv fehlte jedesmal. Der Gedanke, daß der
Wahnsinnige mitten in der Stadt lebte, vielleicht irgendwo in einem Cafehaus saß und über seine Taten womöglich in der Zeitung
las - diese Vorstellung war vielen Leuten unerträglich.
Die Sonderkommission, die in den letzten
Wochen kaum zur Ruhe gekommen und hunderten von Hinweisen aus der Bevölkerung
nachgegangen war, hatte sich nun mit dem neuen, in der letzten Nacht
vorgefallenen Ereignis zu beschäftigen.
Die beiden Polizisten, die Marossa in die
Ausnüchterungszelle geschickt hatten, mußten sich gewisse Vorwürfe gefallen
lassen. Man hätte Marossa näher nach dem Monster befragen sollen
...
Doch diese Chance war verpaßt worden. Und nun
konnte der Betreffende nichts mehr aussagen.
Die Bar, die Marossa in der vergangenen Nacht
besucht haben wollte, wurde inspiziert. Auch dort wurden Gespräche geführt, in
der Hoffnung, vielleicht hier weiter zu kommen. Man kannte Marossa, er war fast
als Stammgast zu bezeichnen. Der Junggeselle hatte hier mit verschiedenen
Mädchen Kontakte geknüpft. Das waren Sally, Minouche, Carmen und Adeline. Die
wohlklingenden Namen waren alle nicht echt, aber darauf kam es den vernehmenden
Beamten in diesem Fall vorerst nicht an.
Es wurde nach einem Mann gefragt, der
vermutlich in einem Karnevalskostüm aufgetreten war. Daß dieser Begriff „Karnevalskostüm“
sehr bedenklich schien, wußten nur diejenigen, die direkt die Suche nach der „Bestie“
aufgenommen hatten. Denn das veränderte Gesicht der Leiche war alles andere als
eine „Maskerade“... Die Dinge waren verwickelt, und man kam trotz höchsten
Einsatzes keinen Schritt weiter.
In der Presse wurde der Fall vorerst nicht
behandelt. Aus dem Kommissariat ging vorerst nichts heraus. Nach wie vor stand
die Suche nach dem unheimlichen Frauenmörder im Mittelpunkt, diesmal verquickt
mit einer Frage nach einer Gestalt, die angeblich in der letzten Nacht,
verkleidet mit einem Echsenkostüm, in Wien gesehen worden sein wollte. Hatten
noch mehr Leute als Peter Marossa das seltsame Geschöpf gesehen?
Man wartete auf das Echo der Bevölkerung ...
Von vielen hunderttausend Zeitungslesern, die
an diesem Tag den „ Kurier“ und andere Zeitungen studiert hatten, las auch Rita
Sensmann den letzten Bericht über den Frauenmörder von Wien und die Frage nach
dem „Echsenmann“, die in diesem Zusammenhang gestellt wurde.
Rita Sensmann war siebenundvierzig, von Beruf
Musiklehrerin, die private Klavier- und Gesangsstunden gab .
Ihr Schülerkreis stammte aus den angesehensten Familien der Stadt, Leute, die
es sich leisten konnten, ihre Söhne und Töchter in die private Musikschule von
Rita Sensmann zu schicken. Ihr Name hatte einen guten Klang, und das wirkte
sich auf die Stunden-Honorare aus, die sie verlangte.
Rita Sensmann ging es gut. Das bewies schon
die Tatsache, daß sie es sich leisten konnte, hier oben auf dem Berg zu wohnen.
Die Villa „Rita“ stand auf dem Kahlenberg, von dem aus man einen traumhaft
schönen Blick über einen Teil der Millionenstadt und auf das gewundene Band der
Donau hatte.
Versteckt hinter Bäumen und Sträuchern war
das Haus von der auf den Berg führenden Straße kaum zu sehen.
Es lag verborgen hinter einem Abhang. Dahinter
breiteten sich Blumenbeete, Rasen und ein Obstbaumgrundstück aus.
Rita Sensmann war verheiratet mit einem
Musiker, mit Richard Sensmann, der sich seit drei Wochen mit einem
Philharmonischen Orchester auf einer Dreiländer-Tournee befand. Sie führte durch
einige Großstädte Österreichs, in die Tschechoslowakei und nach Ungarn. Noch
zwei Auftritte in Prag und zwei in Budapest waren vorgesehen, dann kam Richard
zurück. Bis zum Ende der Woche war die Kurz-Tournee befristet.
Rita Sensmann freute sich auf die Rückkehr
ihres Mannes. Dann war sie endlich in diesen unsicheren Tagen
nicht mehr allein zu
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