Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
dick und von rötlich grauer Farbe. Sie würde nicht so weit gehen, das Tier hübsch zu nennen, aber es war auch nicht so schrecklich.
Der Wolf senkte die Schnauze und bewegte sich langsam auf sie zu. Obwohl das immer noch nicht wirklich feindselig auf sie wirkte, machte Kylie einen Schritt zurück. Als würde er ihre Angst spüren, duckte sich der Wolf noch tiefer auf den Boden in einer unterwürfigen Haltung.
»Was bist du – ein Schoßwolf von jemandem?« Doch da kam ihr ein Gedanke. Ein echter Wolf hätte nicht so einen Überschall-Windstoß verursachen können. Aber ein echter Gestaltwandler konnte das.
Sie stemmte die Hände in die Hüfte und schaute das Tier böse an. »Verdammt, Perry, bist du das?«
Perry, der mächtige Gestaltwandler aus dem Camp, liebte diese kleinen Scherze. Aber Kylie hatte nun wirklich genug von seinen Tricks. Irgendwann reichte es auch.
»Das Spiel ist vorbei oder ich ziehe dir die Ohren lang – wie beim letzten Mal.« Kylie erwartete, dass die üblichen glitzernden Funken regnen würden, die immer erschienen, wenn Perry sich zurückverwandelte. »Jetzt sofort!«
Keine Funken.
Das Tier bewegte sich langsam und geduckt auf sie zu.
»Nein«, sagte sie mit Nachdruck. Kylie versuchte sich damit abzufinden, dass es doch ein echter Wolf war. »Komm nicht näher.« Sie hielt ihm eine Handfläche entgegen, und der Wolf schien ihr tatsächlich zuzuhören. »Es ist nichts Persönliches, aber ich bin doch eher der Katzentyp.« Ihre Stimme hallte laut und ihr fiel wieder auf, wie unnatürlich still es im Wald war.
Kein Grillenzirpen. Kein Vogelgezwitscher. Nicht einmal der Wind traute sich zu wehen. Sie schaute nach oben zu den Baumwipfeln, die so unbeweglich waren wie ein Foto. Sogar die Pflanzenwelt schien vor Angst innezuhalten.
Sie kämpfte gegen die aufsteigende Panik an und richtete den Blick wieder auf den Wolf. Sie war sich jetzt sicher, dass die Gefahr nicht von dem Tier ausging. Nein, da war noch etwas anderes, das weitaus gefährlicher war. Sie schauderte und die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf.
Der Wolf sprang auf und schnüffelte mit erhobener Schnauze. Er knurrte und machte einen Schritt zur Seite. Dann drehte er sich wieder zu ihr und schaute sie mit seinen goldenen Augen an, so als wollte er sie vor der Gefahr warnen.
Als ob das nötig gewesen wäre. Ihr Herz klopfte wie wild. Der kalte Wind kam wieder auf, diesmal war er noch näher, und es roch plötzlich faulig, nach Tod. Der Wolf knurrte lauter.
»Kylie?« Ihr Name hallte in der Ferne, brach durch das Dickicht der Bäume. Sie wandte sich in die andere Richtung, und der Luftzug streifte sie wieder. Aber dieses Mal schien er vorbeizuziehen. Wer oder was auch immer das war, wollte sie allein. Kylie verschränkte die Arme und versuchte das Zittern zu kontrollieren.
Der Wolf winselte leise und schaute sie wieder an. Er neigte leicht den Kopf, als wollte er sich von ihr verabschieden. Dann drehte er sich um und verschwand mit einem Rascheln im Unterholz.
»Kylie.« Sie hörte wieder ihren Namen. Jetzt erkannte sie Dereks Stimme.
»Ich bin hier!«, rief sie. Sie wollte keine Sekunde länger allein sein und rannte los.
Sie rannte Dereks Stimme entgegen. Ihr Herz klopfte laut, während sie unter Ästen hindurchschlüpfte und über Dornenzweige sprang. Sie lief und lief. Als könnte sie vor der Angst und all ihren Problemen davonlaufen. O ja, sie würde so gern den ganzen Mist hinter sich lassen. Mit jedem Schritt, den sie auf den weichen Waldboden setzte, fühlte sie, wie zwar die Angst weniger wurde, die Probleme allerdings blieben. Sie konnte sie nicht abschütteln. Doch die körperliche Anstrengung tat trotzdem gut. Bis ihr Lauf abrupt gestoppt wurde, als plötzlich etwas vor ihr auftauchte oder besser … jemand.
Derek.
Sie prallten zusammen, er schnappte nach Luft und fiel dann mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Kylie verlor die Balance und landete auf ihm. Er schlang instinktiv die Arme um sie, und sie atmete den herben Duft seines Aftershaves ein.
»Du hast also den Wolf geschickt«, murmelte sie außer Atem. Ihr war seine Fähigkeit, mit Tieren kommunizieren zu können, wieder eingefallen.
»Was für einen Wolf?« Er schaute sich um. »Ist alles okay bei dir?«
Er schob sie vorsichtig neben sich auf den Boden. Eins ihrer Beine lag noch auf seinem und sein linker Arm war noch um sie geschlungen, so dass seine Handfläche genau in ihrer Taille lag. Wärme und Geborgenheit durchströmten
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