Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
Ihre Hoffnung, dass sie mit seiner Hilfe mehr über ihre Identität erfahren würde, war soeben zerstört worden.
Sie biss sich auf die Lippe und schob den Gedanken an ihren Vater zur Seite, um sich auf Della zu konzentrieren. Wie konnte sie ihrer Freundin von ihren Sorgen erzählen, ohne deren Gefühle als Vampir zu verletzen? Würde Della jetzt total sauer auf sie sein, weil sie den Kreis durchbrochen und die Vampirkultur nicht respektiert hatte? So wie sie Della kannte, war die Antwort wohl: Aber so was von sauer.
Della hatte ein ziemlich großes Potential an angestauter Wut und es brauchte nicht viel, um sie rasend zu machen. Teilweise konnte diese Aggression wohl mit ihrem Vampirsein erklärt werden – Vampire waren nicht gerade für ihre friedliche Gemütslage bekannt, aber bei Della kamen die meisten Probleme von ihrer Familie. Anscheinend hatte ihr eh schon strenger Vater die Veränderungen seit Dellas Verwandlungen bemerkt und mochte sie ganz und gar nicht. Della brachte es nicht über sich, ihren Eltern zu erzählen, dass sie ein Vampir war, weshalb ihr Vater sich inzwischen alles Mögliche als Erklärung für ihr seltsames Verhalten und ihr verändertes Aussehen ausmalte – von harten Drogen bis hin zu absoluter Faulheit. Das Traurige daran war, dass Della ihren Vater so sehr liebte, dass es ihr das Herz brach, ihn zu enttäuschen.
Kylie wartete darauf, dass Della zurückkehren und in einem großen Staubwirbel vor ihr zum Stehen kommen würde. Aber das tat sie nicht. Hatte Della, die sich vor Geistern fürchtete, etwa die Anwesenheit ihres Vaters gespürt und sich davongemacht? Die absolute Stille hatte plötzlich etwas Bedrohliches.
»Della?«, rief Kylie.
Keine Antwort. Außer man zählte die Totenstille als Antwort. Kylie erinnerte sich an Dellas Cousin, Chan, und an seinen unangemeldeten Besuch, als sie gerade erst ein paar Tage im Camp war. Seine Anwesenheit war auch von dieser Totenstille begleitet worden.
Sie erinnerte sich noch sehr genau an diese Nacht. Della hatte ihr damals versichert, dass er nur scherzte, als er sie als Snack bezeichnete. Aber Kylies Zusammentreffen mit der Blutsbrüder-Gang, für die sie tatsächlich fast zur Zwischenmahlzeit geworden wäre, machte es ihr irgendwie schwer, einem unbekannten Vampir zu vertrauen.
Als die Stille anhielt, zwang sich Kylie etwas zu sagen. »Ich weiß, dass da jemand ist.« Sie stand auf und hoffte, ihr vorgetäuschter Mumm wäre echt. Der Windstoß streifte sie wieder. »Wenn du das bist, Della, dann ist das nicht sehr witzig.«
Niemand antwortete ihr. Kylie stand da und überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Da hörte sie es. Ganz leise, aber unverkennbar das Rascheln von Büschen – jemand war hinter ihr. Sie hielt den Atem an und drehte sich mit einem Ruck um.
2. Kapitel
Zuerst konnte Kylie nichts erkennen, bis sie ihren Blick senkte, wo er auf ein paar Augen traf – Augen, die in der Dunkelheit der Nacht golden glühten. Das waren keine Vampiraugen. Nein, das war nicht Dellas goldener Schimmer, wenn sie wütend war. Diese Augen waren nicht ansatzweise menschlich.
Ein Hund?
Nein.
Ein Wolf.
Sie stolperte beinahe, als sie einen Schritt zurück machte. Jede Faser in ihrem Körper schrie: Renn! Aber der nächste Gedanke, der ihr durch den Kopf schoss, hielt sie davon ab, zu flüchten. Lucas?
Ihr stockte der Atem, aber nicht vor Angst. Etwas wie Sehnsucht loderte in ihr auf. Doch das warme, aufregende Gefühl verwandelte sich schnell in das ungute Gefühl, betrogen worden zu sein. Der gutaussehende Werwolf hatte sie geküsst und damit um den Verstand gebracht. Er hatte sie erst angemacht und war dann mit Fredericka abgehauen.
Kylie schaute blitzschnell zum Mond, der von Wolken bedeckt war. Doch selbst durch den grauen Schleier konnte sie erkennen, dass kein Vollmond war. Der war erst nächste Woche wieder, die Werwölfe im Camp planten nämlich schon ihre Zeremonie.
Das bedeutete, dass der Wolf nicht Lucas sein konnte. Also war es wohl ein echter Wolf. Ein echter, wilder Wolf. Was wiederum hieß, dass sie zusehen sollte, sich so schnell wie möglich vom Acker zu machen, bevor er zum Angriff überging.
Sie schaute den Wolf an. Doch entgegen ihrer Erwartung einer zähnefletschenden, sprungbereiten Bestie war das, was sie sah, gar nicht so furchteinflößend. Die goldenen Augen fixierten sie. Die Wolke vor dem Mond musste weiter gezogen sein und Kylie konnte die Umrisse des Wolfes jetzt genauer erkennen. Sein Fell war
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