Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
abstammst. Oder aber –«
Kylie erinnerte sich daran, die Campleiterin an der Stelle unterbrochen zu haben. Jetzt wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Auch wenn sie immer noch daran glaubte, normal zu sein, würde es sie doch interessieren, was sie noch sein könnte.
Sie versuchte, sich zu beruhigen, und konzentrierte sich darauf, nicht mehr nachzudenken, sondern nur noch zu hören. Eine abendliche Brise ließ die Blätter rascheln, Grillen zirpten, und ein Vogeljunges rief nach seiner Mutter. Kylie erinnerte sich an Wanderausflüge, die sie mit ihrem Dad unternommen hatte. Sollte sie vielleicht ihren Dad zurückrufen?
Später, entschied sie. Vielleicht wusste sie bis dahin, was sie ihm sagen sollte. In diesem Moment wollte sie einfach nur hier sitzen, die Natur aufsaugen und ein kleines bisschen entspannen. Sie schloss die Augen, und langsam fiel die Spannung von ihr ab.
Kylie war nicht sicher, wie lange sie geschlafen hatte, zehn Minuten oder eine Stunde, aber irgendetwas weckte sie auf. Sie riss die Augen auf. Es war dunkel. Sie saß ganz still und lauschte. Sogar die Grillen hielten den Atem an. Sie bekämpfte die Angst vor dem Unbekannten, bis ihr wieder einfiel, dass es wirklich Monster gab.
Ein tiefes, unheimliches Brüllen, wie von einem Löwen, erfüllte die dunkle Stille, gefolgt von Hundegeheul … oder waren es Wölfe? Sie schaute zum schwarzen Himmel auf. Der Mond – kein Vollmond – sah durch die vorbeiziehenden Wolkenstreifen verschwommen aus. Sie hatte plötzlich das starke Bedürfnis, irgendwo hinzugehen, wo sie sich sicher fühlte. Bevor sie sich in Bewegung setzte, hörte sie einen Zweig brechen.
Sie war nicht allein.
Ihr Herz raste, und sie wog ihre Möglichkeiten ab – Schreien oder Rennen. Bevor sie sich entschieden hatte, hörte sie eine Stimme. »Immer noch Angst vor mir, was?«
Sie erkannte Della, und ihr Herz beruhigte sich wieder etwas. Etwas. »Nicht mehr so viel wie am Anfang.« Kylie sah hoch. Das Vampirmädchen stand vor ihr.
Della lachte. »Ich mag es, wie du immer fast die Wahrheit sagst.«
»Merkst du immer, wenn jemand lügt?«, fragte Kylie.
»Nicht bei jedem. Kommt darauf an, wie gut jemand lügen kann. Die richtig guten Lügner können ihren Puls kontrollieren, so dass ich ihn nicht hören kann. Und dann gibt es noch die, für die Lügen so normal ist, dass es sie selbst gar nicht mehr bewegt.«
Kylie stand auf und klopfte sich Zweige von der Jeans. Sie musste entweder darauf achten, Della nicht mehr anzulügen, oder eine bessere Lügnerin werden.
»Holiday hat mich geschickt, damit ich dich aufspüre.«
»Mich aufspüren?« Es war so dunkel, dass Kylie Dellas Gesicht kaum erkennen konnte, aber sie schien zu lächeln. Ihre weißen Zähne leuchteten beinahe.
»Kannst du mich riechen?« Kylie roch schnell an ihrem Ärmel.
Als wäre Kylie ein Versuchsobjekt, beugte sich Della zu ihr und schnüffelte. Ein anerkennendes Seufzen kam ihr über die Lippen.
Die Spitzen von Dellas scharfen Eckzähnen wurden in ihren Mundwinkeln sichtbar, und Kylie zog schnell ihren Arm zurück. Dellas Lächeln verschwand. Kylie hatte das dumpfe Gefühl, das Vampirmädchen wollte wirklich nicht, dass sie Angst vor ihr hatte. Vampire hatten also auch Gefühle. Irgendwie machte sie das menschlicher und weniger unheimlich.
»Die anderen sind alle am Lagerfeuer.« Della marschierte los.
Kylie bemühte sich, Schritt zu halten, was nicht einfach war, denn Dellas Geschwindigkeit war nicht ohne. »Findest du echt, dass ich gut rieche?«
Della schaute sie nicht an. »Willst du, dass ich dich anlüge, damit du dich besser fühlst? Oder willst du die Wahrheit wissen?«
»Die Wahrheit … denke ich.«
Della hielt an, und ihr Tonfall klang gereizt. »Da fließt Blut durch deine Adern, und ich steh echt auf Blut, also, ja, du riechst lecker. Aber das heißt nicht … Lass es mich mal so sagen: Stell dir vor, du hast Hunger und gehst zu McDonalds. Alle Tische sind besetzt mit Leuten, die Burger und Pommes frites vor sich haben. Der Geruch ist einfach himmlisch. Also … was tust du?«
»Ich beeile mich und bestell mir auch was«, antwortete Kylie. Sie hatte keine Ahnung, worauf Della hinauswollte.
»Das heißt, du würdest nicht zu jemandem hingehen und ihm seinen Hamburger klauen?«
»Nein«, meinte Kylie.
»Okay, also wenn es schon nicht in Ordnung ist, jemandem den Big Mac zu klauen, kannst du dir vorstellen, dass es noch etwas ganz anderes ist, sich ein paar Liter Blut zu
Weitere Kostenlose Bücher