Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
blieb Kylie in der Hütte. Vermutlich hatten ein paar der Jungs ihre Gitarren dabei und sangen. Später würden Holiday und Sky ein paar CDs rausholen, und man würde tanzen. Kylie war es aber weder nach Tanzen noch nach Musikhören zumute. Sie hatte wesentlich wichtigere Dinge zu erledigen. Sie saß an dem kleinen Schreibtisch in der Küche und las die E-Mail noch einmal durch, die sie gerade geschrieben hatte. Noch war sie sich nicht sicher, ob sie auf »Senden« oder »Löschen« klicken sollte.
Hi Mom,
wir haben hier jetzt Computer, deshalb dachte ich, ich schreib Dir mal ’ne E-Mail, anstatt Dich anzurufen.
Die Wahrheit war, dass sie herausgefunden hatte, dass sie in einer E-Mail besser lügen konnte als am Telefon.
Du regst Dich ja immer so auf, wenn ich noch telefoniere, obwohl meine Freiminuten schon aufgebraucht sind. Mir geht’s jedenfalls so weit ganz gut hier.
Noch eine Lüge. Nichts hier war ganz gut. Außer vielleicht ihre Freundschaft mit Miranda und Della.
Und ich hab eine Frage. Wir machen hier so eine Art Horoskope-Lesen, und wir brauchen dafür die genaue Zeit der Geburt unserer Eltern und die Geburtszeit von deren Eltern – zum Vergleich.
Und das war die Lüge, die Kylie sich nicht getraut hatte, laut auszusprechen. Aber sie fand sie eigentlich ganz gut.
Kannst Du mir Deine und Dads Geburtszeit mailen? Und weißt Du zufällig auch, wann Oma und Opa geboren wurden? Oder kannst Du es herausfinden? Und was ist mit Oma und Opa Galen? Haben wir nicht so was wie einen Stammbaum, den Oma mal ausgefüllt hat? Vielleicht steht es da ja drin.
Danke für Deine Hilfe.
Kylie
Kylies Finger schwebte über der »Senden«-Taste. Sie hätte fast noch und bitte beeile Dich hinzugefügt, beschloss aber, nicht zu viel zu riskieren. Wenn es so klang, als wäre es ihr super wichtig, würde ihre Mutter anfangen, Fragen zu stellen. Am besten war es, ganz cool zu bleiben. Sie atmete tief ein und drückte auf »Senden«. Aufregung durchströmte sie. Wenn das klappte, hatte sie ihre Antwort. Oder zumindest wäre sie der Wahrheit etwas näher.
Sie hatte extra Miranda noch einmal gefragt, um sich die Geboren-um-Mitternacht-Regel genau erklären zu lassen. Der zufolge gab es auch einige normale Menschen, die um Mitternacht geboren waren. Und es gab einige Übernatürliche, die nicht um Mitternacht geboren waren. Letztere nannte man die Unberührbaren – Dämonen, Ausgeburten des Bösen.
Und obwohl Kylie ihre Mutter für kalt hielt, böse war sie sicher nicht. Wenn von ihren Eltern ein Teil dämonisch gewesen wäre, hätte sie das sicherlich gemerkt. Oder?
Dann gab es noch die Möglichkeit, dass es eine Generation übersprungen hatte. Deswegen hatte Kylie nach der Geburtszeit ihrer Großeltern gefragt. Es war ihr schon klar, dass ihre Mutter diese Informationen nicht auf Knopfdruck liefern würde, aber einen Versuch war es wert.
Sie wollte endlich ein paar Antworten.
Dreißig Minuten später kauerte Kylie immer noch vorm Computer und klickte wie besessen immer wieder auf »Neue E-Mails abrufen«. Da klingelte ihr Handy. Sie rannte ins Schlafzimmer, um es zu suchen. Als sie durch die Tür eilte, fiel ihr ein, dass sie Treys Nachricht immer noch nicht abgehört hatte. Er hatte sie während des Abendessens wieder angerufen, und sie war wieder nicht drangegangen.
Sie redete sich ein, dass es an den vielen Leuten gelegen hatte, die um sie herum waren und zuhören konnten. Aber sie hätte ja auch nach draußen gehen und dort telefonieren können.
Sie hätte, aber sie hatte es nicht getan.
Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das etwas bedeutete. Sie war sich nur nicht sicher, was genau.
Sie schnappte sich das Handy vom Bett und schaute aufs Display. Stirnrunzelnd ging sie dran.
»Hallo, Mom.« Kylie kam gleich zur Sache. »Hast du meine E-Mail –«
»E-Mail? Ja, aber ich will keine E-Mail und auch sonst keine Texte bekommen. Ich will mit dir reden.«
»Okay.« Kylie wartete, dass ihre Mutter etwas entgegnete, aber die Leitung wurde still. Genau das war das Problem mit ihr und ihrer Mutter. Sie hatten eigentlich nichts, worüber sie reden konnten.
»Hattest du einen schönen Tag?«, fragte ihre Mutter schließlich.
»War ganz okay.« Ein weiterer unangenehmer Moment. »Hast du meine E-Mail gelesen?«, wagte Kylie einen weiteren Versuch.
»Ja«, sagte ihre Mutter.
»Kannst du mir sagen, wann genau du geboren bist?«
»Es war spät.«
Kylies Herz stand still. »Wie spät?«
»Die genaue
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