Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
Zeit weiß ich nicht. Ist das Essen wenigstens gut?«
Kylie schloss die Augen. »Es ist halt Campessen, aber ein bisschen besser als in der Schule. Hast du deine Geburtsurkunde irgendwo? Da sollte die genaue Zeit draufstehen.«
»Ich denke, es war so gegen elf. Sag einfach, um elf.«
»Ich brauche aber die genaue Zeit, Mom«, quengelte Kylie. »Ich habe dir doch gesagt, es ist für ein Projekt hier.«
»Meine Geburtsurkunde ist im Schrank in der Box mit all den wichtigen Papieren und den alten Fotos. Es würde ewig dauern, sie zu finden.«
»Bitte!«
»Warum ist das so wichtig? Du glaubst doch nicht einmal an Horoskope.«
Es gibt eine Menge Dinge, an die ich bisher nicht geglaubt habe. »Wie gesagt, ich brauche das hier. Alle anderen machen auch mit.« Kannst du nicht wenigstens das für mich tun? »Hast du auch Dads Geburtsurkunde?«
»Hast du mal mit ihm gesprochen?«, fragte ihre Mutter leise.
»Nein«, antwortete Kylie, und das Gefühl, verlassen worden zu sein, kroch wieder in ihr hoch.
»Du bist doch nicht wütend auf ihn, oder?«, wollte ihre Mutter wissen.
Natürlich bin ich wütend, verdammt. Er hat mich bei dir zurückgelassen. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich fühle.«
»Es ist nicht gut für dich, wütend zu sein, Kylie.«
Warum nicht? Du bist auch immer noch wütend auf ihn. Da realisierte Kylie etwas, das sie schon viel früher hätte realisieren müssen. Ihre Mutter würde ewig wütend auf ihren Vater sein. Kylie verstand nur nicht, wieso.
Ihre Mutter seufzte. »Ich muss wissen, ob er am Sonntag kommt.«
»Warum macht ihr das?« Es war eine Frage, die Kylie noch nie gestellt hatte. Sie hatte damals zuerst gedacht, ihre Mutter hätte, wie so oft, eine ihrer Stimmungsschwankungen gehabt und hätte ihrem Vater deshalb gesagt, er solle sein Zeug packen und verschwinden. Sie hatte genau diesen Satz schon ein paar Jahre zuvor gehört, als sie die beiden bei einem Streit überrascht hatte.
»Was machen wir?«, fragte ihre Mutter, als hätte sie ernsthaft keine Ahnung.
»Euch scheiden lassen, was denn sonst?«
Stille. »Kylie, das ist eine Sache zwischen deinem Vater und mir.«
»Als würde es mich nichts angehen? Wie könnt ihr auch nur denken, dass mich das nichts angeht?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Es tut mir leid, dass dir das so wehtut, Kylie.« Die Stimme ihrer Mutter klang belegt. »Ich wollte dir nie wehtun.«
Weinte die Eiskönigin etwa?
Kylie schloss die Augen und spürte, wie einige Tränen über ihre Wange liefen. »Kannst du bitte nach euren Geburtsurkunden schauen?«, fragte sie und versuchte, weitere Tränen zurückzuhalten.
»Na gut«, lenkte ihre Mutter ein. »Ich werde mal schauen, ob ich sie finden kann, und schicke dir dann eine E-Mail. Wenn es heute nicht mehr klappt, dann morgen.«
»Heute Abend wäre besser.« Kylie zog ein Knie an.
»Ich schau mal«, sagte ihre Mutter. Was so viel hieß wie: Kylie brauchte heute nicht mehr damit zu rechnen. »Versprich mir, dass du Dad anrufst und ihn wegen Sonntag fragst.«
»Ciao«, versuchte Kylie, sich schnell zu verabschieden.
»Kylie. Versprich es mir.«
Der Kloß bildete sich in ihrem Hals. »Okay, versprochen.«
Kylie legte auf und starrte auf ihr Handy. Was sollte sie ihrem Dad nur sagen? Oh, verdammt, warum sollte sie es nicht einfach jetzt hinter sich bringen? Sie begann, seine Nummer einzugeben, nur um dann festzustellen, dass sie aus Versehen Omas alte Nummer eingegeben hatte.
Und genau da traf es sie. Die Wucht der Trauer. Sie vermisste ihre Großmutter so sehr. Vermisste es, sie anzurufen, wenn sie wieder irgendein verrücktes Problem mit ihrer Mutter hatte. Vermisste die Art und Weise, wie Oma ihr die Wange getätschelt und gesagt hatte: »Es wird schon alles gut.«
Es klopfte an ihrer Zimmertür. »Kylie?« Dellas Stimme ertönte auf der anderen Seite der Tür.
Kylie klappte das Handy zu und wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Ich telefoniere grad«, schniefte sie. »Kann jetzt nicht rauskommen.«
»Aber, ich … ich habe eine Überraschung für dich«, sagte Della.
»Ich will jetzt keine Überraschung.« Konnte man sie nicht einfach mal in Ruhe lassen? Zur Abwechslung?
»Ich mache jetzt die Tür auf. Ich hoffe, du bist angezogen.«
Die Schlafzimmertür öffnete sich. »Ich hab doch gesagt, ich …« Kylies Worte blieben ihr im Hals stecken, und sie war unfähig, auch nur einen Mucks von sich zu geben, als sie sah, wer neben Della stand.
26. Kapitel
»Ich habe
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