Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
liebreizend? Ich glaube nicht, dass ich sie jemals so friedlich gesehen habe.«
Archer antwortete trocken: »Sie schläft. Sie führt nichts im Schilde, schmiedet keine Ränke oder manipuliert. Wie recht du doch hast. Sie ist absolut liebreizend.«
»
Archer
«, tadelte sie ihn.
Ein schelmisches Lächeln zog seine Mundwinkel nach oben. »Sag mir noch einmal, warum wir sie nicht so lassen können?«
Elenas Augen blitzten auf, aber er hatte ihr ebenfalls ein Lächeln entlockt.
An die Raben gewandt sagte sie beruhigend: »Er meint das nicht wirklich ernst. Wenn Selene etwas im Schilde führt, Ränke schmiedet oder manipuliert, macht sie das zu einer besseren Schattenwächterin. Wenn Männer das Gleiche tun, nennt man sie entschlossen und schlau.«
Archer legte ihr die Hand auf den schmalen Rücken, direkt über den Stoffschichten ihrer Tournüre. Elena lehnte sich in die Beuge seines Arms. Sie gaben ein auffälliges Bild ab, er so dunkel und sie so ätherisch blass. Wie Yin und Yang, zwei Gegensätze, jedoch perfekt in ihrer Passform.
Rourke unterdrückte den Stich von …
»Neid« war nicht das richtige Wort, um zu beschreiben, was er beim Anblick ihrer offensichtlichen Verbindung empfand. »Rastlosigkeit« traf es besser.
Er war in letzter Zeit sehr rastlos gewesen.
Er ließ seinen Blick auf Selene ruhen. »Meine Begegnung mit der Gräfin war kurz, aber es war mir gleich klar, dass sie willensstark ist.«
Archer lachte leise. »Willensstark. Wie überaus diplomatisch von Ihnen.«
Elena näherte sich dem Bett. Die schwere Seide ihrer Röcke raschelte bei jeder Bewegung. »Selene
ist
stark. Es gibt niemanden auf der Welt wie sie. Sie würde alles tun oder alles aufgeben für die wenigen von uns, die ihr teuer sind.« Sie strich über Selenes dunkles Haar. »Was dich betrifft, Archer, bin ich mir sicher, dass sie jedes Wort gehört hat, das du gerade über sie gesagt hast, also werde ich sie jetzt aufwecken, damit sie dir in den nächsten paar Jahrzehnten das Leben vergällen kann.«
Archer starrte seine Frau an und machte dabei den Eindruck, als wollte er sie im Ganzen verschlingen. Elena hielt seinem Blick stand, und das Leuchten in ihren Augen verriet, dass sie nicht das Geringste dagegen hätte.
Rourke atmete vernehmlich durch die Nase aus und signalisierte seine Ungeduld, endlich anzufangen.
»Was ist da drin?«, fragte er die Blacks und deutete auf die Brokattasche, die Archer trug.
»Bücher«, sagte Archer. »Sie könnte Hunger haben, wenn sie erwacht.«
Was zur Hölle bedeutete das? Die Gräfin könnte hungrig auf Bücher sein? Oder hatte er sich verhört?
»Ein Gewand und Schuhe und …« Lady Black lächelte unbekümmert. »Und
alles andere
.«
Rourke war sich ziemlich sicher, dass sie Unterwäsche meinte. Bilder von Selene, ausgestreckt auf dem Bett, schnurrend wie ein Kätzchen und bekleidet mit Strümpfen, Stumpfbändern, Korsett und Spitze erschütterten seine Reserviertheit. Diese verdammte Hekatestatue, ein Geschenk des Bruders der Gräfin zur Möblierung des Gemachs seiner Schwester, verstärkte nur Rourkes erotische Fantasie.
Elena, die nichts von der Folter ahnte, die sie mit ihrem vagen Gerede über
alles
Feminine angerichtet hatte, fügte hinzu: »Die Gräfin ist sehr eigen, was ihr Aussehen betrifft. Sie wird entsetzt sein, wenn sie dieses unelegante Nachthemd sieht, in das ich sie gesteckt habe.«
Archer stellte die Tasche an die Wand.
Aus dem Lederbeutelchen zog Elena eine längliche Glasampulle und hielt sie hoch.
»Nun … hier ist es«, verkündete sie mit heiserer Stimme.
Die purpurne Flüssigkeit leuchtete phosphoreszierend und warf einen lavendelfarbenen Schimmer über Elenas Gesicht. Rourke näherte sich dem Bett, blieb aber außerhalb des Lichtkreises, den Hekates Fackeln warfen.
»Wie soll der Impfstoff verabreicht werden?«
»Durch den Mund«, antwortete Lady Black. »Ich werde Hilfe dabei brauchen, ihren Oberkörper anzuheben …«
»Warum machst du so ein Gesicht?«, fragte Shrew seinen Bruder.
Gleich vor der Tür standen die beiden Seite an Seite, hochgewachsen und golden. Rourke war so auf die gegenwärtige Aufgabe konzentriert gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass die Brüder ihm in den Raum gefolgt waren.
»Ich mache kein Gesicht«, antwortete Tres mürrisch, die Hände in die Hüften gestemmt. Seine Lippen waren schmal und leicht nach unten gezogen.
»Du willst nicht, dass sie erwacht, hm, Bruder?«, neckte Shrew, schon immer der Verspieltere
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