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Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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und Hals war deutlich sichtbar. Mit einem weiten Satz seiner langen Beine sprang er vor sie. Für einen Moment ließ sie die Bewunderung für seine schreckliche Schönheit erstarren.
    »Gräfin«, knurrte er und griff nach ihrem Arm.
    Dicke, silberne Klauen bogen sich aus seinen Fingern, die beneidenswerte Waffe der Rabenkrieger. Instinktiv atmete sie scharf ein und zuckte zurück.
    »Auf wessen Befehl kommen Sie mit gezogenen Waffen zu mir?«, fragte sie und umkreiste ihn halb. Wieder machte er einen Satz nach vorn und versperrte den Weg, schnitt ihr die Flucht ab.
    »
Meine Befehle
.« In den Worten, gesprochen mit einem leisen Schnarren, klangen Zorn und Verachtung mit.
    »Ergeben Sie sich«, verlangte er.
    Ihr Gedächtnis kehrte Stück für Stück zurück, und sie erinnerte sich an den Wahnsinn – die Transzendierung –, dem sie sich geöffnet hatte, um ihren Zwillingsbruder vor dem Tod zu bewahren. Elena hatte dafür gesorgt, dass sie einschlief, um sie zu beschützen.
    Aber jetzt war sie wach und hier auf der Straße. Eine tote Frau lag hinter ihr in der Gasse.
    Was hatte sie getan?
    Im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass sie tun musste, was der Rabenkrieger verlangte. Sie musste sich ergeben, selbst wenn es ihre Hinrichtung bedeutete – ihren endgültigen
Tod
. Doch ihr Überlebensinstinkt sorgte dafür, dass sie um jeden Preis davonkommen wollte.
    Wusch. Wusch.
    Die Luft vibrierte von den mächtigen Schlägen weiterer Flügel.
    Am Rand von Selenes Gesichtsfeld landeten drei Rabenkrieger, einer nach dem anderen. Sie kauerten sich auf die Dächer und klammerten sich an die Mauern, ihre Flügel dunkel gegen den tiefblauen Himmel, wie etwas aus einem Höllenbild von Gustave Doré.
    Selene sah dem Rabenmeister in die Augen. Wie sehr sie einen Schimmer von Gefühl in ihnen zu sehen hoffte … welchen Beweis auch immer sie für sein Verständnis von ihm ersehnte, er war nicht da. Der höllische Schimmer seiner Augen, die an rot glühende Kohlen erinnerten, flackerte nicht.
    Langsam streckte er die Hand aus.
    Die Klauen waren fort. Da war nur der matte Glanz von Leder.
    »
Ergib … dich … mir
«, wiederholte er, leiser diesmal.
    Zaghaft … stockend … legte sie ihre Hand in seine. Das kühle Leder schloss sich um ihre Hand.
    »Warum ist mir so kalt?«, fragte sie. »Mir war noch nie so kalt.«
    Obwohl sie sich widersetzte, obwohl sie die Fersen in den Boden rammte, zog er sie mühelos näher heran.
    Hitze strömte durch seinen ledernen Brustpanzer, durch den dünnen Stoff ihres Nachthemds, und doch berührten sie sich nicht, bis auf die Stelle, wo seine Hand ihre umklammert hielt.
    An seiner Seite fühlte sie sich hilflos. Sie war seit Jahrhunderten nicht
hilflos
gewesen.
    Tief in ihr loderte Zorn auf.
    »Was ist mir widerfahren?«, fragte sie.
    Sie ballte ihre freie Hand zur Faust und schlug ihm an die Brust. Er zuckte nicht einmal zusammen, sondern schloss nur seine größere Hand über ihre und hinderte sie daran, ihn abermals zu schlagen.
    Doch sie
wollte
ihn abermals schlagen, diesmal härter. Sie wollte, dass jemand anders so sehr litt, wie sie es tat, ihre Isolation und Furcht spürte – aber eine Welle der Erschöpfung überkam sie, so überwältigend, dass sie nicht einmal erneut die Faust ballen konnte.
    »Was ist mir widerfahren?«, wiederholte sie im Flüsterton.
    Ihre Sicht trübte sich, und ihr Bewusstsein wurde schwächer. Ihre letzte Erinnerung war die an eine muskulösen Brust an ihrer Wange und an starke Arme, die ihren Sturz abfingen.
    »Aber sollten Impfstoffe nicht heilen?«, fragte Selene benommen von ihrem Bett aus. Sie war so schläfrig. Sie konnte kaum den Kopf vom Kissen heben.
    Doch Elena antwortete nicht. Sie fuhr lediglich fort, Selenes zusammengefaltete Gewänder aus einer Tasche in eine große Schublade zur räumen.
    Selene hatte sich bei ihrem Erwachen im Haus Black wiedergefunden, dem palastartigen Besitz von Lord und Lady Black in Mayfair, in demselben Zimmer, das sie vor der Heirat der beiden bewohnt hatte – aber nicht mehr danach. Damals war ihr ihre Anwesenheit im Haus nicht richtig vorgekommen.
    Die Tapete und Polster waren immer noch grün und golden gestreift, aber es gab keine Stapel alter Bücher mehr oder Körbe mit ihren geliebten Schlangen. Es wirkte überhaupt nicht mehr wie ihr Zimmer.
    Es war einfach ein Raum für einen Gast – oder genauer gesagt, eine Gefängniszelle, wenn man die beiden riesigen, blonden Rabenkrieger an der Tür mit einbezog. Sie hatten

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