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Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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Gefühl hatte, darin zu schweben. Auf der Suche nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte, sah sie sich um.
    Der trübe Lichtkreis einer Straßenlaterne leuchtete in der Ferne, es war kaum mehr als ein schmuddeliger Schein. Selene ging auf die Laterne zu, unter ihren nackten Füßen spürte sie das kalte Pflaster und stieß sich am Holz eines Fuhrwerks.
    Sie erinnerte sich daran, im Glockenstuhl des Turms von Westminster gewesen zu sein, und wusste, dass die Dunkle Braut verschwunden war und ihr Zwillingsbruder Mark in Sicherheit war. Alles andere blieb unklar und vernebelt. Wie viel Zeit war seither verstrichen? Eine Stunde? Ein Jahrhundert?
    Hohe Mauern umgaben sie. Die Dunkelheit war so tief, dass sie sie kaum mit Blicken durchdringen konnte …
    Unmöglich.
Sie war eine Schattenwächterin. Die Dunkelheit verbarg nichts vor ihren Augen. Irgendetwas stimmte nicht.
    Lauf. Flieh. Sofort.
    Sie taumelte rückwärts, ihre Füße glitten über feuchte, schlierige Pflastersteine. Dann stießen ihre Fersen gegen etwas –
ach!
–, das sowohl hart als auch weich war. Sie plumpste auf den Hintern und spürte Feuchtigkeit unter ihrem Po, ihren Oberschenkeln und den aufgestützten Händen. Ihre Beine lagen über dem Ding, das sie zu Fall gebracht hatte, etwas, das sich wie Stoff und Haut anfühlte. Wieder war da der Geruch. Der Geruch nach Blut.
    Selene prallte zurück und rappelte sich von den schlaffen Gliedern und nassen Röcken einer Frau hoch. Sie kam auf die Füße und wirbelte herum …
    Zahlreiche Schatten wichen zurück wie Rauchschwaden.
    Verdammt, ihr Herz schlug so schnell, dass es wehtat. Was hatte sie gerade gesehen? Eine Heerschar neugieriger Geister, versammelt am Ende der Gasse, um zu beobachten, was geschehen war –
was immer
es war, woran sie sich nicht erinnern konnte.
    In der Ferne lachte gackernd eine Frau, und der lange, schrille Ton der Pfeife eines Polizisten erklang. Gewöhnliche Geräusche für eine dunkle Londoner Nacht, und doch fühlte sie sich wie in der Falle und tausend Meilen entfernt von jeder Zivilisation.
    Sie drehte sich wieder um, spähte die Gasse hinunter und betete, dass sie sich bezüglich der toten Frau geirrt hatte, aber nein – die in sich zusammengesunkene Gestalt lag zwischen zwei geparkten Wagen, die Glieder so unbeholfen ausgestreckt, als sei sie eine weggeworfene Kinderpuppe.
    Sie riss sich zusammen, benutzte ihre Gefühle als Ansporn und drängte ihren Körper, sich in Schatten zu verwandeln. Unsichtbar würde sie mächtiger werden und die Klarheit finden, die sie brauchte. Sie spürte eine leichte Hitze durch ihre Knochen wallen, aber … nichts geschah. Eine schreckliche Erkenntnis dämmerte ihr und betäubte ihre Glieder.
    Das Nachthemd schlotterte ihr um die Beine. Ihr Keuchen hallte von den hohen Ziegelsteinmauern wider, die ihr so vertraut schienen. Sie musste in Whitechapel sein, und zwar in der Castle Alley. Die dunklen Fensterhöhlen der Whitechapel Bath and Washhouses muteten wie Augen an, die leidenschaftslos und ohne einen Wimpernschlag beobachteten, wie sie vorbeilief.
    Die Nachtluft jagte ihr eine Gänsehaut über den Körper. Etwas Kleines und Scharfes, ein Kieselstein oder Glasstück, stach ihr in die Ferse. Sie schrie auf, zog das Bein hoch und wäre beinahe wieder gefallen.
    Die Dunkelheit, die sie beeinträchtigte. Die Kälte, die ihr Unbehagen verursachte. Sie selbst, beinahe verkrüppelt von einer so bedeutungslosen Wunde.
Nein, nein, nein.
Nicht sie, die einzige weibliche Kriegerin der Schattenwache. Seit sie das letzte Mal solch menschliche Gefühle erlitten hatte, waren Jahrhunderte vergangen.
    Irgendetwas war schrecklich falsch. Sie musste Mark finden, ihren Zwillingsbruder. Er würde ihr helfen zu begreifen, was sie tun musste.
    Wusch.
    Sie blickte zu dem Geräusch auf. Ein Schatten jagte auf sie zu und verdeckte das Licht der Gaslampe. Der Schatten nahm Gestalt an, materialisierte sich zu einer muskulösen, breitschultrigen Silhouette mit brennenden Augen wie rote Glut und ausgestreckten schwarzen Flügeln. Lederne Stiefel kamen auf den Pflastersteinen auf.
    Er lief auf sie zu.
    »
Avenage
«, sagte sie. Sie erkannte ihn sofort.
    Der Rabenmeister – der Krieger der Schattenwache, den sie dazu überredet hatte, ihr in den Tagen zu helfen, die zu ihrer Konfrontation mit der Dunklen Braut geführt hatten. Trotz ihrer kurzen Bekanntschaft blieb er ihr ein vollkommenes Rätsel.
    Er bewegte sich mit Macht und Anmut, das Muskelspiel an Schultern

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