Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
haben.«
Selene verkrampfte sich. Sie stellte ihren Eintopf beiseite und fragte noch einmal: »Soll ich gehen?«
»Nein.« Rourke sah ihr fest in die Augen. »Obwohl sie eine Anzahl an Schnittwunden erlitten hat, ist Ms McKenzie an zwei Messerstichen in die Kehle gestorben. Die Größe und Tiefe der Wunden jedoch …«
Er hielt inne.
»
Ja?
«, fragte Selene, erpicht darauf, die Beweise zu hören.
»Passt nicht zu der Metzgerklinge, die Sie in der Hand hatten. Diese Frau wurde mit einem viel kleineren, kürzeren Messer getötet.«
»Die Gräfin ist unschuldig«, rief Shrew aus und grinste sie an. Seine blauen Augen leuchteten hell. »Ich wusste es.«
Rourke runzelte die Stirn. »Sie schrecken davor zurück, eine solche Schlussfolgerung zu ziehen.«
»Verdammt«, murmelte Shrew.
»Ist das alles?«, fragte Tres mit einem Seitenblick auf Selene.
Mit leiserer Stimme erläuterte Rourke: »Der Bericht sagt weiter, dass sie auch das Turmzimmer durchsucht haben, in dem Flynn getötet wurde.«
Bei der Erwähnung von Flynns Namen wurden die Mienen der Brüder ernster.
»Und?«
»Und sie haben entdeckt, dass die Wände, die Decke und der Fußboden mit einer dünnen Staubschicht bedeckt waren.«
»Was für eine Art von Staub?«, flüsterte Selene und kam näher.
Rourke schaute auf. »Vulkanischem Sand.«
»Das ist Tantalos’ Visitenkarte«, rief sie aus.
»Sie haben schwache Abdrücke im Staub entdeckt.«
»Fußabdrücke?« Selene krampfte die Hände zusammen.
Er nickte. »Genau genommen waren es Schuhabdrücke. Mehrere Paare in verschiedenen Größen. Sie waren barfuß, und es war nicht ein einziger Abdruck eines bloßen Fußes unter den Spuren.«
Selene hielt den Atem an, weil sie es nicht wagte auszuatmen, weil sie es nicht wagte zu glauben.
»Also, was bedeutet das alles?«, wollte Tres wissen, ohne Selene aus den Augen zu lassen. »Offiziell.«
Rourke legte das Papier auf den Schreibtisch. Selene trat vor und hob es auf. Die Seite schien ihr fast leer zu sein, abgesehen von einigen schwachen Abdrücken. Mitteilungen aus dem Inneren Reich waren nur für amaranthinische Augen sichtbar. Dass sie die Nachricht nicht lesen konnte, traf sie hart. Trotz ihrer Erleichterung darüber, dass sie von den Anklagen gegen sie freigesprochen worden war, blieb sie in einem Zwischenzustand gefangen, immer noch im Besitz ihrer Unsterblichkeit, jedoch nur weniger der dazugehörigen Kräfte.
»Sie sind sich noch nicht sicher, aber sie haben den Eindruck, dass man durchaus schlussfolgern kann, dass die Gräfin Flynn nicht getötet hat. Zumindest nicht direkt.«
Selene verstand, was er andeutete. Die Dunkle Braut hatte sich niemals die eigenen Hände mit dem Blut ihrer Opfer beschmutzt – sie hatte andere beeinflusst, ihre Morde zu begehen. Bestimmt hielt niemand sie für fähig, das Gleiche zu tun. Oder?
Er senkte die Stimme. »Sie haben Flynns Leichnam untersucht. Jeder Knochen war zerquetscht, und doch war da kein einziges äußeres Mal. Was immer ihm zugestoßen ist … nun, Selene hat es nicht getan.«
»Wie schrecklich«, flüsterte sie. Und dabei dachte sie nicht nur an die entsetzliche Art von Flynns Tod, anscheinend war sie unbewusst und unwissentlich in dem Raum gewesen, in dem er getötet worden war, und hatte, in welchem Maß auch immer, unter der Kontrolle jener gestanden, die Tantalos gehorchten.
Und doch, was für eine Erleichterung, von Flynns Ermordung freigesprochen zu sein. Sie war geradezu benommen von diesem Gefühl. Tief in ihrer Seele hatte sie gewusst, dass sie niemanden getötet hatte, und doch hatte die Unfähigkeit, sich an irgendetwas in Bezug auf diese Nacht zu erinnern, dazu geführt, dass sie sich nicht mehr sicher gewesen war.
»Wir sollen weitere Instruktionen abwarten.«
»Meine Damen und Herren, ich vermute, dass wir schon bald auf dem Rückweg nach London sein werden.« Tres rieb sich die Hände. Er warf einen warmen Blick in Richtung Selene.
Sie ließ die anderen allein, die noch die Funktionsweise des Geräts bestaunten. Nachdem sie durch die drei Bögen gegangen war, stieg sie die Treppe hinauf. Ihre Arme und Beine fühlten sich jetzt bleischwer an, und jeder Schritt aufwärts wurde zu einer Kraftprobe. Seit sie aus ihrem tiefen Schlaf aufgewacht war, hatte sie nicht mehr so viele wache Stunden verbracht. Dieses Wissen, zusammen mit der Ankündigung ihrer Unschuld am Tod des Rabenkriegers, machte ihr Mut und beflügelte die Hoffnung, dass sie schon bald ihre normalen
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