Shadow Guard: So still die Nacht (German Edition)
nicht einmal.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ein schwieriger Mensch.«
»Nein, das sind Sie nicht«, versicherte er ihr, die Stimme leise und schmeichelnd. »Und selbst wenn Sie es sind – dann muss ich etwas ganz Ähnliches sein. Vielleicht bin ich ja auch ein schwieriger Mensch.«
»Es gibt Dinge …« Sie starrte auf ihre und Marks ineinander geschlungenen Hände. »Dinge, die ich Ihnen erzählen sollte, Dinge über mich selbst, die ich einfach nicht erzählen kann.«
»Sie denken, ich habe keine Geheimnisse? Erschreckende, schreckliche Geheimnisse?« Er grinste kläglich. »Ich bin mir sicher, meine werden Ihre übertreffen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir werden sie teilen, wenn wir es für richtig halten.«
»Was ist mit Ihnen? Ich weiß gar nichts über Sie, nicht einmal die einfachsten Dinge. Haben Sie Familie?«
»Meine Mutter und mein Vater starben, als ich ein Junge war«, antwortete er. »Binnen Stunden sind sie beide gestorben. Das war alles sehr tragisch und dramatisch.«
Jetzt verstand sie diesen verborgenen Schatten, den sie immer hinter seinem ansonsten warmen und fröhlichen Wesen verspürt hatte.
»Das ist sehr traurig. Gibt es niemanden sonst? Keine Geschwister?«
»Ich habe eine Zwillingsschwester. Wir haben uns einander entfremdet.« Er hielt inne und drückte ihre Hand. »Also, Sie sehen? Wir sind beide ganz allein in diesem Leben. Lassen Sie uns zusammen sein und den Rest des Wegs gemeinsam gehen.« Er erhob sich von dem Stuhl und ließ sich auf die Knie sinken. Er ergriff ihre beiden Hände. Seine Finger waren warm und groß und stark.
Ihr sicherer Hort.
»Sagen Sie einfach ja.«
»Wohin würden wir gehen?«
»Europa. Indien. Tibet. Wo immer Sie hingehen möchten.«
Vielleicht konnte sie Abenteuer haben und ihren sicheren Hort. Ja, flüsterte ihr Herz, vielleicht … vielleicht Tibet.
Mina schaute ihm in die Augen. Er umfasste ihr Kinn mit beiden Händen. Dann beugte er sich vor und drückte die Lippen auf ihre Wangen … auf ihre geschlossenen Augenlider, warme, inbrünstige Küsse, die ihre Tränen verbannten.
»Sag ja«, flüsterte er. »Mina, bitte.«
Er küsste sie auf den Mund. All ihre Angst und ihre Traurigkeit verblassten.
»Ja«, antwortete sie. »Ja.«
»Danke«, murmelte er zwischen heißen, sanften Küssen. »Ich danke dir, Mina.«
Er erklärte ihr nicht seine Liebe, und sie brauchte es nicht, noch nicht. Für den Moment war dies genug.
»Wann?«, murmelte er an ihrer Wange. »Nächste Woche?«
Mina umfasste seine Oberarme und sog ihre Nähe in sich auf. »So bald wie möglich.«
Es klopfte an der Tür.
Mark stand schnell auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Nachdem sie sich flüchtig die Augen abgewischt hatte, drehte sie sich ebenfalls um. Lord Trafford spähte herein, sein Lächeln zögernd.
»Haben wir eine Verlobung?«, erkundigte er sich leise.
Mark drückte ihre Schulter und antwortete: »Ja.«
Lord Trafford grinste und senkte den Blick zu Mina, als suchte er nach einer Bestätigung. Sie nickte lächelnd. Ihr Onkel öffnete die Tür weiter und enthüllte drei andere Gesichter. Alle aschfahl. Alle ohne jede Spur eines Lächelns.
Lucinda drängte sich an ihm vorbei in den Raum.
»Trafford, ich kann nicht glauben, dass du das unterstützt«, tadelte sie mit belegter Stimme. »Sie kennen einander doch kaum.«
Mina blinzelte, ihre Freude verflüchtigte sich augenblicklich.
Lord Trafford hob die Hände. »Was hat das denn damit zu tun?«
»Mina, ich bin äußerst enttäuscht von Ihnen«, blaffte Lucinda. »Sie haben eben erst Ihren Vater beerdigt. Sie sind gerade einmal drei Monate in Trauer. Was denken Sie, was die Leute dazu sagen werden?«
Mark zog Mina von dem Stuhl hoch. Sie spürte die feste Unterstützung seiner Hand in ihrem Rücken. »Die Leute werden gar nichts sagen. Wir werden nur eine stille und private Zeremonie abhalten. Für das Aufgebot werden wir eine Sondergenehmigung erwirken.«
»Das ist die schlimmste Art von Zeremonie.«
Ihr Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. Helle Löckchen hüpften zu beiden Seiten ihrer Wangen. »Alle werden von einem Skandal sprechen.«
»Ich schere mich nicht um Skandale«, erklärte Mark und sah Mina an. »Scherst du dich um Skandale?«
»Nein«, flüsterte sie. Sie räusperte sich und wiederholte energischer: »Nein.«
Lucindas Augen weiteten sich ungläubig. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem eng geschnürten Korsett ihres blauen Morgenkleids. »Sie
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