Shadow Guard: So still die Nacht (German Edition)
Taschentuch auf die Nase.
Er konnte von Mina niemals erwarten, hier zu leben. Die Villa war nicht nur extrem baufällig, das Gleiche galt auch für alle umliegenden Gebäude. Es ließ sich nicht vorhersagen, welche herumstreunenden Kriminellen ihre Nachbarn sein würden.
»Erlauben Sie mir, Ihnen den ersten Stock zu zeigen.« Leeson ging zur Treppe. Sein Fuß krachte durch die Stufe. Er prüfte die nächste. »Warten Sie, bis Sie die Herrensuite gesehen haben. Sobald wir alle Schwalben daraus verbannt haben …«
Mark zog seinen Mantel aus. Er begann zu schwitzen. »Ich gehe. Mit Ihnen oder ohne Sie.«
»Na schön.« Leeson verdrehte die Augen. »Ich werde einfach sofort zum Kern der Sache kommen. Begleiten Sie mich.«
Marks Stimmung wurde immer miserabler, aber er folgte dem älteren Unsterblichen trotzdem in den hinteren Teil des Hauses. Leeson stapfte nach draußen und hinterließ einen Pfad zerdrückten Unkrauts. Der Garten war damit überwuchert, dazwischen lagen modernde weggeworfene Fässer, sogar ein Sofa und ein Sessel standen herum.
»Kommen Sie hier herauf.« Leeson erreichte eine niedrige Steinmauer, die um einen großen, spiegelglatten Teich herumführte, und hüpfte auf die Kante. Gefüllt mit klarem, funkelndem Wasser, speiste sich der Teich offensichtlich aus einer reinen Quelle.
Mark rieb sich den Nasenrücken. »Sie haben recht. Dies ist sehr hübsch, aber es ist nicht genug, um den Rest wettzumachen.«
Leeson funkelte ihn durch sein eines Auge über die Schulter an. »Ich sagte, kommen Sie herauf.«
Mark gehorchte, obwohl er es inzwischen außerordentlich müde war, dem Mann immer wieder gehorsam zu sein – einem Mann, der behauptete, in seinem Dienst zu stehen.
Leeson holte eine Münze aus seiner Tasche. »Los geht’s. Sprechen Sie einen Wunsch aus.«
»Ich bin kein Kind«, gab Mark zurück.
»Wollen Sie es mit Gewalt verderben?«, blaffte Leeson. »Könnten Sie bitte einfach tun, worum ich Sie gebeten habe?«
Mark wurde ungeduldig und hatte bereits Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken. »Also schön.«
Er fing die Münze auf. Mit einer Drehung des Daumens ließ er sie in schneller Drehung in die Luft schnellen. Ihr Metall glitzerte im Sonnenlicht. Blink.
»Haben Sie einen Wunsch ausgesprochen?«
Lasst mich leben. Minas schönes Gesicht blitzte vor seinem geistigen Auge auf.
»Jetzt schauen Sie hin«, instruierte Leeson leise. »Sehen Sie zu.«
Die Münze senkte sich in die schummrigen grünen Tiefen, ihr poliertes Antlitz blitzte bei jeder Umdrehung auf … wurde fahler und fahler, als sie zwischen neugierig umherhuschenden Karpfen versank.
Mark sah etwas.
Er legte den Kopf schräg und kniff die Augen zusammen.
»Oh.« Er schnappte nach Luft. »Ich verstehe.«
10
Nachdem er die notwendigen Formulare für die Sondergenehmigung ausgefüllt und das Pfarramt verlassen hatte, wies Markden Fahrer des Hansoms an, ihn auf die andere Seite der Themse zum Leichenschauhaus in Battersea zu bringen.
Er hatte Leeson in dem Haus zurückgelassen, wo er darauf wartete, sich mit dem gegenwärtigen Besitzer zu treffen. Tatsächlich hatte er Leeson die Vollmacht gegeben, über den Erwerb sämtlicher Häuser in der Straße zu verhandeln. Ihr Gesamtwert – zumindest auf dem Markt der Sterblichen – konnte niemals an den Wert des Teichs heranreichen. Sobald Mark seinen Zustand der Transzendierung besiegt und seinen Status in der Garde der Schattenwächter wiedererlangt hatte, würde er mit Mina nach London zurückkehren und die Renovierungsarbeiten überwachen – selbstverständlich neben seinen Vollstreckungsaufträgen. Er schwor sich, dass die Adresse binnen zwei Jahren die exklusivste im Distrikt sein würde, eine, die ihm einen hübschen Gewinn einbringen würde.
Was waren das für Gedanken in seinem Kopf? Optimistische Gedanken an eine Zukunft mit Mina?
Die Stadt glitt an seinem Fenster vorbei, und er lächelte in sich hinein. Er wusste nicht, wie lange eine solche Zukunft dauern konnte, aber er schwor sich, sein Bestes zu geben, um sie möglich zu machen.
Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten sie das Leichenschauhaus. Er bezahlte den Kutscher und durchschritt die Arkaden. Dort, in schwacher Beleuchtung, transformierte er sich in einen Schatten. Dann folgte er dem Geruch des Todes, bis er die Leichenhalle erreichte.
Dr. Kempster hatte zwei Herren in dunklen Anzügen empfangen. Mark strich an ihnen vorbei und zog ihre Namen aus ihrem Geist: die Inspektoren Regan und Tunbridge.
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