Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
vage Neugier hatte sie während der vergangenen Stunden angetrieben, eine, die nicht verstummen würde, bis sie ihr nachgegangen war. Die Polizisten waren auf der Suche nach Verdächtigen hier gewesen, aber was war mit den Opfern? Sie ging den Flur hinunter zu den Empfangsräumen, die bereits für die Nacht geschlossen worden waren. Nur das Licht der Flurlampen beleuchtete das Innere.
Elena ging zum Schreibtisch des Portiers und entzündete seine Laterne, bevor sie sich auf seinen Stuhl setzte. Fünf in Leder gebundene Bücher mit Registrierungen lagen auf einem Regalbrett unter dem Schreibtisch, ein jedes mit einer Spanne von Daten auf den Rücken geschrieben – bis auf das Letzte. Sie wählte diesen Band und blätterte durch die Seiten, bis sie zum vergangenen Juli und August kam, und dann zum 31. August, als das erste bekannte Opfer des Rippers, Mary Ann Nichols, ermordet worden war. Mit dem Zeigefinger fuhr sie die Kolonnen hinunter, betrachtete jede Seite und überflog die Namen, alle geschrieben in der feinen Schrift des Portiers.
Rose Smith, George Street 16
Jane Ransom, High Street 107
Nachdem sie eine Stunde lang Monate und Monate von Einträgen überflogen hatte, stand sie auf und reckte sich, erschöpft, aber erleichtert. Obwohl sie einige Variationen der Namen entdeckt hatte, bei denen es sich vielleicht um Opfer des Rippers handelte, gab es kein offensichtliches Muster, keine Konzentration von Vorfällen. Sie nahm allerdings an, dass man nicht vergessen durfte, dass Frauen von der Straße die Gewohnheit hatten, zweckmäßigerweise ihre Namen zu ändern. Sie schloss das Buch mit den Registrierungen und schaute in den verdunkelten Warteraum, nur um erschreckt festzustellen, dass jemand ihren Blick erwiderte.
»Mr Stephenson! Was tun Sie hier?«
Er klagte: »Ich konnte nicht schlafen bei all den Wagen, die an meinem Fenster vorbeigerattert sind, und im Gemeinschaftsraum sind Irre. Daher bin ich hierhergekommen, um ein wenig Ruhe zu finden.«
»Es ist schon sehr spät. Ich bin mir sicher, der Verkehr auf der Straße hat sich gelegt. Gehen wir zurück in Ihr Zimmer.«
Elena half ihm hoch und führte ihn am Arm über einen vertrauten Weg zu seinem Zimmer.
»Wieder daheim«, verkündete er griesgrämig, als sie durch den schmalen Türrahmen gingen.
»Sie sind seit Juli Patient hier im Hospital?«, fragte Elena.
»Ja. Es gefällt mir hier wirklich.« Mit sanfter Hilfe setzte sie ihn auf die Kante seines schmalen Betts, dann zog sie ihm die Pantoffeln aus. Er legte sich auf die Seite. »Ich war früher Chirurg, müssen Sie wissen. Ich habe in Paris Medizin studiert.«
»Ach ja? Sie werden mir irgendwann einmal von Ihren Erfahrungen erzählen müssen. Aber für den Moment möchte ich, dass Sie ein wenig schlafen.«
»Danke, Schwester.«
»Gern geschehen.«
Elena drehte seine Lampe herunter und zog die Tür hinter sich zu. Erschöpft begann sie den kurzen Marsch zu ihrem Zimmer im Wohnheim; sie wollte nichts mehr, als einige Stunden zu schlafen, bevor sie auf die Station zurückkehren musste.
Die nächsten zwei Tage vergingen schnell, eine hektische Folge von Patienten, Krankheiten und Notfällen – und gestohlenen Stunden Schlaf auf ihrem schmalen Wohnheimbett. Ein Vorteil, den ihre Müdigkeit hatte, war der, dass sie nicht die Energie hatte, an Archer zu denken und an seinen Verrat, der sie immer noch tief aufwühlte. Sie wollte vergessen und ging so weit, eine zusätzliche Schicht für eine befreundete Krankenschwester anzunehmen, die krank geworden war. In der dritten Nacht, als sie sich weit nach Mitternacht durch die Dunkelheit in ihr winziges Zimmer tastete, roch sie etwas – etwas, das hier nicht hingehörte.
Rosen?
Endlich fand sie das Päckchen Streichhölzer auf dem Nachttisch, und nach drei erfolglosen Versuchen entzündete sie den schmalen Docht der Kerze.
In der Tat – auf ihrem Bett lag ein Strauß Rosen. Rot wie die, die sie in Black House erhalten hatte. Ein Dutzend diesmal, eingewickelt in feines, schwarzes Seidenpapier und zusammengebunden mit einer schwarzen Schleife. Schwarz. Schwarz wie Lord Black?
Neben den Blumen lag eine Karte.
Ihre Hand zitterte, als sie sie hochhob. Die Kränkung kam zurück, aber auch die Erinnerung an seine Lippen auf ihren. Sie verstand noch immer nicht, was zwischen ihnen geschehen war. War sie eine Närrin zu glauben, dass er sie verstanden hatte?
Sie sehnte sich danach, seinen Verrat wegzuerklären, sich einzureden, dass er aus irgendeinem
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