Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
geholfen hat.«
Jetzt konnte Becca ihre Reaktion nicht mehr verbergen. Sonja gestand den Mord an einer Freundin und bereute ihn nur deswegen, weil sie danach von ihrem Freund verlassen worden war. Etwas derart Kaltherziges hatte Becca, seit sie Polizistin war, noch nicht erlebt.
»Sonja Garza. Ich nehme Sie wegen des Mordes an Isabel Marquez fest. Ich möchte von Ihnen noch ein handschriftliches Geständnis, in dem Sie niederlegen, was mit Isabel geschehen ist. Danach brauche ich noch das Datum und Ihre Unterschrift.« Sie schob einen Block und einen Stift über den Tisch.
Becca würde warten, bis das unterschriebene Geständnis vor ihr läge, bevor sie Sonja erzählte, dass Isabel lebendig eingemauert worden war. Bei den meisten Menschen würden durch diese Enthüllung die Schuldgefühle sicherlich verstärkt, in diesem Fall jedoch ging Becca davon aus, dass die Nachricht eine ähnliche Bedeutung für ihr Gegenüber hätte, als hätte sie einen Mietwagen gefahren und damit einen kleinen Blechschaden gehabt.
Sonja schrieb ein paar Zeilen nieder, hörte wieder auf, hob den Kopf und blickte Becca fragend an. »Kann ich jetzt eine Zigarette haben?«
Sie hatte den kalten, toten Blick einer Mörderin, in dem einfach kein Platz für Gewissensbisse war.
20
Zwei Wochen später
Dieses Mal hatte Becca richtigen Urlaub genommen und die ersten Schritte zur Heilung ihrer Seele gemacht.
Danielle hatte ein paar Tage im Krankenhaus verbracht, war dann aber wild darauf, endlich heimzukommen, und Momma hatte vehement darauf bestanden, ihre beiden Mädchen glücklich vereint in ihrem Haus zu sehen.
Wie hätte Becca ihr wohl diesen Wunsch abschlagen sollen? Die Geste und auch die Bereitschaft ihrer Mutter, zusammen mit den Töchtern zur Therapie zu gehen, rührten an ihr Herz.
Dani wäre auf dem Weg der Besserung also nicht alleine.
Heute hatten sie den nächsten – bittersüßen – Meilenstein erreicht. Auch Isabel Marquez war endlich heimgekehrt. Vor über einer Woche hatten sie sie anhand des DNA-Vergleichs innerhalb der Familie eindeutig identifiziert und die Knochen für die Bestattung freigegeben. Obgleich die heutige Gedenkfeier eine private Angelegenheit weniger enger Freundinnen, Freunde und der Familie war, hatte Diego seine Beziehungen spielen lassen und dafür gesorgt, dass die Familie die Gelegenheit zu einem möglichst feierlichen Abschied von der Tochter und Schwester bekam. Seiner Meinung nach gab es dafür nur einen Ort.
In der Innenstadt von San Antonio stand die Kathedrale San Fernando, Sitz der ersten in Texas gegründeten Gemeinde, deren Bau im Jahre 1755 abgeschlossen worden war. Die historische Stätte war das Kronjuwel der alten spanischen Missionen, was der kunstvollen steinernen Fassade, den reich verzierten Buntglasfenstern, der beeindruckenden Orgel und dem handgemeißelten, steinernen Taufbecken deutlich anzusehen war. Papst Johannes Paul hatte die Kirche mit einem Besuch gesegnet, und im Verlauf seiner ehrenwerten Geschichte hatten auch zahlreiche Politiker, Botschafter und Gouverneure das Gotteshaus mit ihrem Besuch geehrt.
Diego hatte darauf bestanden, dass Isabel nichts Geringeres verdient hatte als einen Gottesdienst in dieser Kathedrale. Er hatte keine Mühen und Kosten gescheut und eine geschmackvolle Feier arrangiert.
Die engelsgleichen Stimmen eines kleinen Chors begleiteten den Abschied von der jungen Frau, die grausam aus der Blüte des Lebens gerissen worden war. Der Duft von Weihrauch und von Blumen erfüllte die Luft, und es herrschte eine Atmosphäre der Erleichterung, weil das Marquez-Mädchen endlich seine letzte Ruhe fand. Es war ein bewegender und würdevoller Gottesdienst, ebenso außergewöhnlich, wie es Isabels kurzes Leben gewesen war.
Jetzt bog die kleine Prozession in den in der Castroville Road gelegenen Friedhof San Fernando unweit des Hauses der Familie ein. An einem leuchtend blauen Himmel schwebten kleine weiße Wölkchen über den Horizont. Die letzten Gaben, die andere Grabsteine schmückten, glitzerten im warmen Sonnenlicht. Zu Ehren der Toten tanzten und flatterten Lametta und bunte Kugeln in der sanften Brise, und wie jedes Mal rief dieses Meer aus liebevollen Andenken an die Verstorbenen ein Gefühl der Rührung in Rebecca wach. Ganze Familien brachten oft die Sonntagnachmittage auf dem Friedhof zu. Sie brachten kleine Kinder und Picknickkörbe mit und feierten auf diese Art die Leben derer, die vor ihnen gekommen und gegangen waren. Hier an diesem Ort
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