Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
ihr Wagen nicht würdig genug war, um direkt vor der Tür zu stehen. Mit einem letzten Blick in ihren Rückspiegel prüfte sie ihr Haar und ihr Makeup und schnupperte an der weißen Rose, die sie an der Jacke ihres dunkelgrauen Hosenanzugs trug. Normalerweise war sie keine Frau, die Blumenschmuck im Knopfloch trug, doch sie wollte Galvan deutlich zu verstehen geben, dass sie durch seinen mitternächtlichen Fleurop-Dienst nicht im Mindesten erschüttert war.
Wenn man außer Acht ließ, dass sie bis zum frühen Morgen kaum ein Auge zubekommen hatte und deswegen völlig übermüdet war.
Ein strenggesichtiger Butler, der aussah wie ein Mitglied der Addams-Family, öffnete die Tür. Der Mann hatte sich ein paar dünne graue Haare quer über den Kopf frisiert und sah sie reglos aus zinngrauen Augen an. Als wäre das nicht bereits schlimm genug, sah sein Anzug aus, als hätte er mehr gekostet, als sie monatlich an Gehalt bezahlt bekam.
Der Tag wurde wirklich immer besser, dachte sie.
»Hier entlang, Detective. Mr. Cavanaugh erwartet Sie bereits.«
Während Becca ihm durch eine prachtvolle Rotunde folgte, drangen leise Violinenklänge an ihr Ohr. Ihre Schuhe hallten auf dem Marmorboden des Foyers, und während der Butler reglos vor sich hin sah, schaute sie sich verstohlen um und prägte sich möglichst viele Einzelheiten ein. Einen derartigen Luxus wie in diesem Haus hatte sie nie zuvor gesehen.
Dezente Einbauleuchten erhellten Wände in gedämpftem Grün, und schwarz-gold geäderte Marmorsäulen stützten Bogentüren aus geschnitztem Elfenbein. Am Ende des diskret erleuchteten Foyers markierte eine Tür aus Mahagoni und geschliffenem Glas den Eingang zum Salon, in dessen Mitte ein massiver, von vergoldeten Löwen getragener Tisch unter einem kristallenen Leuchter stand. Hunter Cavanaugh hatte einen extravaganten Geschmack. Es war sicher angenehm, König zu sein.
Nachdem Becca über die Schwelle getreten war, hörte sie die Stimme eines Mannes vom anderen Ende des Raums.
»Bitte gesellen Sie sich doch zu mir, Detective Montgomery.«
In einem luxuriösen, mit Leopardenfell bezogenen Sessel mit einem geschwungenen, schwarz-bronzefarbenen Gestell saß ein Mann von vielleicht Mitte fünfzig, der dort hoch erhobenen Hauptes Hof zu halten schien. Sie erkannte Hunter Cavanaugh von den Aufnahmen, auf die sie bei ihrer Recherche gestoßen war. Mit seiner blassen Haut, dem weißblonden Haar und den blassblauen, durchdringenden Augen hob er sich wie eine Statue von der vergoldeten Tapete hinter seinem Rücken ab. Zu seinem gestärkten weißen Hemd und seiner schwarzen Hose hatte er eine blutrote Smokingjacke ausgewählt. Entweder hatte dieser Typ eine Vorliebe für das Dramatische oder er war ein Fan des Aristokraten des Horrorfilmes, Vincent Price.
Diego stand an seiner Seite, und sie brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um statt seiner weiter seinen Gönner anzusehen.
Cavanaugh wies lässig mit der Hand auf seinen Untergebenen. »Dies ist einer meiner Mitarbeiter, Mr. Diego Galvan.«
»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Detective.«
Was zum Teufel sollte das? Diego tat, als hätten sie sich nie zuvor gesehen. Er verhielt sich völlig anders als noch einen Tag zuvor. Seinem Arbeitgeber hatte er anscheinend nicht erzählt, dass er ihr vor dem Imperial begegnet war. Seltsam, dachte sie. Genauso seltsam wie sein leicht geschwollener Kiefer. Doch an diesem Mann sah selbst ein Hämatom noch sexy aus.
Diego blickte sie mit einem warmen Lächeln an. Er war nicht mehr der kesse Draufgänger, dem sie erst gestern auf den Leim gegangen war, doch seine Augen sandten eine eindeutige Botschaft an sie aus – Gott, Rebecca, spiel um Himmels willen mit.
War sie so großmütig gestimmt? Weshalb in aller Welt ging er davon aus, dass sie ihn nicht verriet? Doch als sie sein Lächeln erwiderte, zwinkerte er leicht, und ihr Lächeln löste sich in einem kühlen Nicken auf, das ihn zu amüsieren schien.
Trotz der verstohlenen Begrüßung, trotz des subtilen Flirts und trotz seines geschwollenen Kiefers wirkte er in seinem grauen Anzug und dem schwarzen Kaschmirrollkragenpullover ungeheuer selbstbewusst und elegant. Verdammt, warum muss er so gut aussehen und riechen, ging es ihr missmutig durch den Kopf.
»Das hier ist Mr. Matt Brogan«, riss Cavanaughs sanfte Stimme sie aus ihren Grübeleien.
Wenn Diego der charmante, kluge Dr. Jekyll war, war Matt Brogan Mr. Hyde. Das Gesicht des Kerls sah aus, als hätte er es über
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