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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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sagte er. »Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Selbst nachdem Ihre Wunde geheilt war, schien sie nicht aufzuhören.«
    »Dafür musste ich aufwachen«, erwiderte Artur ruhig und beobachtete sie. Er war also aufgewacht, und zwar in mehr als einer Hinsicht.
    Zugbegleiterin Gogunov nahm ein paar Handtücher vom Fußende des Bettes und schob sie Artur hin. »Sie lagen im Sterben«, sagte sie auf Russisch.
    »Ja«, bestätigte er.
    »Sie hat Sie gerettet. Ich habe es selbst gesehen.«
    »Ja.« Er machte sich nicht die Mühe, es abzustreiten. »Werden Sie es herumerzählen?«
    Sie schüttelte den Kopf und schlug ein Kreuz. »Es ist ein Wunder. Sie vollbringt Wunder.«
    »Sie haben keine Ahnung, was für welche.« Artur ließ sich zurücksinken und sah Elena beim Schlafen zu.
    Elena schlief sehr lange. Ihr Schlaf wurde von Erinnerungen heimgesucht, die nicht ihre eigenen waren, aber noch im Unterbewusstsein registrierte sie, dass sie die Vergangenheit betrachtete. Arturs Vergangenheit. Sie ließ sich davon durchströmen, nahm das Gute, das sie erwischen konnte, und ließ das Schlechte dort sterben, wo es sein sollte, im Schatten, in einem bedeutungslosen Zustand von Harmlosigkeit. Artur, das wusste sie ebenfalls, fürchtete ihre Reaktion. Aus gutem Grund, aber nicht, weil Elena etwas gesehen hätte, weswegen sie sich von ihm abgewendet hätte. Es schmerzte sie einfach nur, mit anzusehen, wie er litt. Es schmerzte sie sehr, denn Arturs Leben war tragisch und schwierig gewesen, wenn auch von vereinzelten guten Momenten durchsetzt, sowohl im Waisenhaus als auch später auf der Straße oder während seiner Zeit bei der Mafia. Wäre er nicht so stark gewesen und hätte er nicht ein angeborenes Mitgefühl und einen Charakter gehabt, den er vor seinem zwölften Lebensjahr bereits entwickelt hatte, so hätte er sich womöglich in eine etwas sanftere Version von Charles Darling verwandelt: blutrünstig, rücksichtslos, mächtig und eiskalt.
    Als sie schließlich die Augen aufschlug, sah sie nicht Artur. Rik saß an ihrem Bett und starrte aus dem Fenster. Seine Augen glühten golden, und sein blaues Haar passte zu der Farbe des Himmels. Er wirkte sehr jung.
    »He«, krächzte Elena. Ihre Kehle fühlte sich wund an. »Haben Sie etwas Wasser für mich?«
    Er holte es schnell, überschlug sich fast vor Eifer. Elena trank ungeschickt, Wasser lief ihr aus dem Mundwinkel auf ihr Kissen. Sie wischte es weg, ohne darauf zu achten, wie sie wohl aussah.
    »Wie fühlen Sie sich?«, erkundigte sich Rik.
    »Lausig. Was ist passiert? Wo sind die anderen?«
    »Sie haben fast vier Tage geschlafen«, erwiderte Rik. Elena schloss die Augen. Vier Tage? Wie war das möglich?
    Du hast zu viel gegeben. Du hast fast dein ganzes Leben weggegeben. Es war nicht ihre Stimme in ihrem Kopf, sondern die Arturs. Sie hatte auch keine Ahnung, wie das möglich war, aber sie war dankbar, dass sie ihn hörte.
    Geht es dir besser?, fragte sie ihn. Sie zitterte vor Erleichterung. Die Tür ihres Abteils öffnete sich und Artur trat herein, groß und stark, so gesund, wie ein Mann sein sollte. Es war ein wundervoller Anblick.
    Rik ging schweigend hinaus. Artur setzte sich neben Elena auf das Bett.
    »Wenn du das je wieder tust ...« In seiner Stimme klang kein Lachen mit, nicht der geringste Funke Humor. Wenn du das noch einmal tust, Elena, dann wirst du mich eher umbringen als retten.
    »Du berührst mich nicht«, stellte Elena fest. »Warum kann ich deine Stimme hören?«
    »Etwas ist geschehen«, antwortete Artur. »Ich glaube, wir sind uns jetzt näher, noch näher.«
    Elena tastete nach ihm, über die Verbindung von ihrem Herzen zu seinem, und zum ersten Mal fühlte sie keine Barriere mehr. Es war wie Fliegen, sie flog direkt in seine Haut, in seine Seele. Sie fühlte seine Müdigkeit, seine einsame, schmerzliche Furcht. »Noch bin ich nicht tot«, sagte sie.
    »Aber es war knapp«, antwortete Artur. »Oder ist das übertrieben?«
    Elena lauschte auf ihren Körper. »Nein«, sagte sie dann. »Nein, ich glaube, du hast recht.«
    Sie erhaschte das Flackern einer grünen Erinnerung. »Rictor«, sagte sie.
    Artur zögerte, doch es war sinnlos. Nicht, dass Elena glaubte, er hätte sie vorher belogen, aber selbst die Wahrheit nur zurückzuhalten war jetzt unmöglich geworden; sie beide waren offene Bücher füreinander. »Er hat dein Leben gerettet. Er hat mich gezwungen aufzuwachen, um dich zu retten.«
    »Nett von ihm«, gab Elena zurück. Es klang viel sarkastischer,

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