Shadow Touch
als sie beabsichtigt hatte. »Ich nehme nicht an, dass er angedeutet hat, wo er gerade ist oder warum seine tolle Ablenkung nicht funktioniert hat?«
»Natürlich nicht.«
Elena lächelte und drückte ihr Gesicht in das Kissen. »Noch weitere Neuigkeiten? Zum Beispiel Serienmörder an Bord des Zuges? Böse Mutanten, die versuchen, meinen Geist zu beherrschen?«
»Nein«, erwiderte er. Elena n ahm das Bild eines Handys wahr, das piepte, und eine tiefe Stimme, die sagte: »Artur, du glücklicher Mistkerl, was zum Henker ist passiert?«
»Roland«, erklärte Artur. »Mein Boss. Ich konnte ihn endlich erreichen.«
Elena runzelte die Stirn. »Bis ich mich an diese Gedankenleserei gewöhnt habe, wird es noch ein bisschen dauern.« Sie bemerkte den schmerzlichen Ausdruck, der über sein Gesicht zuckte, und fuhr fort: »Es ist nur fair, weißt du. Du konntest schließlich schon immer sehen, was in meinem Kopf vorging.«
»Daran hat man mich schon mehrmals erinnert.« Er klang nicht glücklich.
»Heuchler«, sagte sie zärtlich.
»Märtyrerin«, konterte er und küsste sie. Elena fragte sich, wie ihr Atem wohl schmeckte. Sie wusste, dass sie nicht gut riechen konnte. Was auch stimmte. Sie sah es zu ihrem Entsetzen in Arturs Kopf. Artur küsste sie aber weiter.
Ich habe schon schlimmere Dinge geschmeckt. Er lachte in ihrem Geist. Elena stieß ihn zurück.
»Was machen die anderen?«
»Wir haben abwechselnd bei dir Wache gehalten. Den Rest der Zeit sind wir in diesem Teil des Zuges Patrouille gelaufen. Wir haben, während du schliefst, ein paar weitere Zwischenstopps eingelegt. Aber Charles war auf keinem der Bahnhöfe. Jedenfalls haben wir ihn nirgendwo gesehen.«
»Das ist unverständlich«, meinte Elena. »So schnell gibt er doch nicht auf. Schon gar nicht, wenn ihm Beatrix befohlen hat, mich zu suchen.«
»Dann können wir nur hoffen, dass er irgendwo aufgehalten wurde oder die Polizei von Khabarovsk ihn festsetzen konnte.«
»Oder ihn erschossen hat?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Das wäre allerdings noch besser.«
Jemand klopfte an die Tür. Artur stand rasch auf, aber es war nur Zugbegleiterin Gogunov. Sie brachte einen Teller mit Früchten und Brot sowie ein paar Flaschen Wasser. Sie riss die Augen auf, als sie sah, dass Elena aufgewacht war. Es war merkwürdig, diese Bewunderung in ihnen zu sehen, nachdem sie vorher nur Verachtung für Elena übriggehabt hatte.
Sie hält dich für eine von Gott gesandte Heilige, erklärte Artur. Sie hat zugesehen, wie du mich geheilt hast.
Elena war für einen Moment bestürzt, aber als sich die Frau vor sie hinhockte, blass und zitternd, begriff sie, dass sie nichts zu befürchten hatte. Zugbegleiterin Gogunov würde niemandem etwas erzählen, und wenn doch, dann würde sie von Elena nicht wie von einem Monster sprechen, sondern nur von einer Frau, die einem anderen Menschen geholfen hatte.
Jetzt sagte sie etwas auf Russisch, und durch Artur konnte Elena die Worte verstehen.
»Mir geht es besser, danke.« Artur übersetzte für Elena.
»Gut«, erwiderte die alte Frau auf Englisch und stellte den Teller ab. »Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.« Sie rieb die Hände an den Schenkeln, sichtlich nervös. Ganz offensichtlich brannte ihr eine Frage auf der Seele.
»Was wollen Sie mich fragen?«, erkundigte sich Elena.
Die alte Frau sah sie an, als glaubte sie, dass Elena ihre Gedanken gelesen hätte, statt nur ihre Körpersprache richtig zu deuten. Auf diese Weise entstanden Legenden, das wurde Elena schlagartig klar. Tat man einmal etwas Verrücktes, wurde alles andere zu magischer Größe aufgeblasen.
Du bist jetzt eine Gedankenleserin, bemerkte Artur hörbar belustigt. Auch wenn du nur meine Gedanken lesen kannst.
Glaub mir, das ist mehr als genug.
»Ich bin krank«, sagte die alte Frau. »In meinen Brüsten.« Sie sprach Russisch, aber Elena verstand durch Artur jedes Wort.
»Setzen Sie sich«, bat sie Frau Gogunov.
»Elena«, warnte Artur sie, ohne die Schärfe in seiner Stimme zu lindern. Zugbegleiterin Gogunov warf ihm einen erschreckten Blick zu, aber Elena legte ihre Hand auf die der alten Frau. Diese zuckte zwar zusammen, zog die Hand jedoch nicht zurück.
Es war ganz leicht, trotz ihrer Schwäche. Krebs brauchte nur ein Flüstern, einen kleinen Anstoß in die richtige Richtung. Der Klumpen war groß und bösartig; Elena stieß hart zu - und fühlte schließlich die subtile Reaktion, die Nachgiebigkeit. Der Weg zur Heilung war schon beschritten. Die
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