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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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alte Frau hatte aber außerdem noch eine Herzkrankheit, doch im Augenblick konnte Elena nicht mehr für sie tun. Jedenfalls würde sie jetzt eine Weile länger leben und auch ein recht angenehmes Leben führen können, bis zu ihrem Ende. Mehr konnte niemand vom Leben verlangen. Das hatte auch ihr Großvater bekommen. Er war so kräftig und gesund wie ein Zwanzigjähriger gewesen, und dann - bumm! Tot war er unter einem Apfelbaum zusammengebrochen, als Elena gerade einkaufen gegangen war.
    Du hättest nichts für ihn tun können, tröstete Artur sie, der den Schmerz über diesen Verlust in ihr spürte.
    Ich weiß. Das wusste Elena wirklich. Er war zu alt gewesen - und hatte Elenas Hilfe außerdem immer abgelehnt.
    Er wollte keine künstliche Verlängerung seines Lebens. Ein Mann sollte gehen, wenn seine Zeit reif war. Zu diesem Ort hin, den er kommen sah. Und in Frieden ruhen.
    Nur hatte ihr das die Chance genommen, sich zu verabschieden, ihm noch einmal zu sagen, wie sehr er ihr Leben zum Besseren gewendet hatte. »Ich liebe dich, Großvater, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.« Ihn diese Worte noch einmal hören zu lassen, statt sie immer in die Luft über seinem Grab zu sprechen. Er war in der kleinen Familiengruft auf der Farm beigesetzt, neben seinem Vater, seiner Mutter und seinen Brüdern. Elena erwartete, dass auch sie dort eines Tages begraben würde.
    Aber noch lange nicht, ließ sich Artur vernehmen. Und wenn es so weit ist, bin ich bei dir.
    Ihr stockte der Atem, und er lächelte. Die Frau sah es und dachte, es ginge um etwas anderes. Sie sah Elena an, mit einem so hoffnungsvollen Blick, dass es ihr wehtat. »Ihr Krebs ist in einer Woche verschwunden«, erklärte Elena. »Ich kann nicht garantieren, dass nicht irgendwo ein anderer Herd ausbricht, aber fürs Erste sind Sie geheilt.« Bis Ihr Herz versagt, bis Ihre Zeit im Stundenglas abgelaufen ist.
    Als Artur diese Worte übersetzte, fing Zugbegleiterin Gogunov zu weinen an. Sie presste ihre Hände aufs Gesicht, rieb sich die Augen und wiegte sich wie ein kleines Kind. »Ach!«, schluchzte sie. »Ach, ich hatte ja so eine Angst. Danke Ihnen, vielen, vielen Dank.«
    Sie ging in die Knie und küsste Elenas Hand so ehrfürchtig, so respektvoll, dass sich Elena fast der Magen umdrehte. So viel Dankbarkeit verdiente sie doch nicht. Niemals.
    Lass dieser Frau ihr Wunder, dachte Artur in ihrem Kopf. Lass sie die Gegenwart Gottes fühlen, an den sie so stark glaubt. Gewähre ihr das.
    Elena schämte sich, ein wenig jedenfalls. Ich sollte wohl gütiger sein, was?
    Du bist immer gütig, Elena. Das Wort, das ich suchte, ist eher - geduldig.
    Geduld, Wertschätzung. Sich die Wunder zu Herzen nehmen, die sie an anderen wirken konnte, an den Olivias und Gogunovs und John Burkles.
    Und an den Arturs dieser Welt.
    Ich schwöre, dass du dich noch absichtlich verwunden lässt.
    Ich lebe gefährlich, Elena. Seine Gedanken klangen amüsiert. Ich gehe davon aus, dass du meine Wunden immer heilen wirst.
    »Gott«, stöhnte Elena. Zugbegleiterin Gogunov hörte auf, ihre Hand zu küssen, und sah sie nun merkwürdig an. Artur versicherte ihr, dass es Elena sehr gut ginge, sie aber einfach nur beten wollte.
    Die alte Frau lächelte. »Darf ich den anderen von Ihrer Gabe erzä hl en?«
    »Nein!«, sagte Elena rasch. »Nein. Ich bin ganz allein und es gibt zu viele Kranke. Es würde mich umbringen.«
    Frau Gogunov nickte. »Dann danke ich Ihnen noch mehr. Weil Sie mich erwählt haben. Ich hoffe, dass auch andere die Gnade Ihrer Berührung zu spüren bekommen.«
    »Das hoffe ich auch«, erwiderte Elena. Ihr Kopf tat weh. Sie wollte schlafen. Ihr fielen die Augen zu, und sie hörte, wie die Frau etwas zu Artur sagte, leise, und dann hörte sie seine Antwort. »Ja, sie gehört zu mir und ich liebe sie.«
    Ich liebe dich auch, dachte sie und schlief ein.

15
    Zu Hause.
    Das alte Zuhause, das erste Zuhause, mit diesem endlosen grauen Himmel, bei dessen Anblick Artur selbst im Sommer fröstelte, dort, wo sich der Winter wie ein Koma hinzog, sich in den Knochen festsetzte, bis sich selbst die Träume taub anfühlten, das Fleisch keine Empfindung mehr übermittelte, wo Empfindungen überhaupt für die normalen kleinen Jungs reserviert waren, die nicht in Räumen ohne Betten weggeschlossen waren, mutterseelenallein und einsam, wo die Körper lernten, nicht zu fühlen oder zu denken, wo die Verlorenen nur aufgrund eines ehernen, von der Regierung finanzierten Erbarmens geduldet

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