Shadow Touch
wütenden Ansturm, wie Elena befürchtet hatte. Sie hatte Rictors Bedeutung für diese Leute unterschätzt. Sie fürchteten ihn und vertrauten ihm und suchten in seinem harten Gesicht nach einer Bestätigung, dass alles in Ordnung war.
Fast taten sie Elena leid. Fast.
Ein paar Männer in weißen Uniformen drängten sich zwischen den Wissenschaftlern hindurch nach vorn. Elena erkannte einige von ihnen von ihrer ersten Begegnung mit dem Arzt. Sie fragte sich unwillkürlich, wie lange es wohl gedauert hatte, den Geruch des Erbrochenen loszuwerden.
»Miss Weave hat uns geschickt. Wir sollen das Mädchen holen«, sagte der größte von ihnen. Er hatte einen russischen Akzent und sah an Rictor vorbei auf Elena und Artur. Eine tiefe Falte bildete sich auf seiner Stirn. »Was macht denn der hier?«
Rictor trat zur Seite, um den Mann hereinzulassen. Seine Kollegen folgten ihm auf dem Fuß. Als die Wissenschaftler ebenfalls den Raum betreten wollten, hielt Rictor sie mit einem harten Blick und ausgestrecktem Arm auf.
Dann ging es ganz schnell. Kaum hatten die Wärter den Raum betreten, als Amiri sprang. Lautlos, tödlich, ein goldener Blitz; Elena hörte ein reißendes Geräusch, dann riss Artur sie zurück, hob sie hoch und setzte sie in sicherer Entfernung von dem Kampf wieder ab. Elena sah zu, wie die Raubkatze das Bein des Mannes packte und daran riss. Dann war Rik da, der über Amiri sprang, sich auf die beiden anderen Männer stürzte und die Metallstange wütend schwang. Knochen krachten und der zweite Pfleger stürzte zu Boden. Artur drehte sich herum und stürzte sich in den Kampf; der letzte Pfleger, der noch stand, sah ihn kommen. Er schrie etwas auf Russisch, aber Artur antwortete nicht.
Seine Miene war hart und entschlossen, er bewegte sich mit tödlicher Präzision. Zwei kurze Schläge, und der Mann brach zusammen.
Elena hatte keine Zeit, auf die Gewalt zu reagieren. Artur trat zurück, nahm ihre Hand und zerrte sie zur Tür. Rictor war bereits da und stürmte durch die Wissenschaftler hindurch, die gerade zurückwichen, fassungslos vor Schock und Unglauben. Amiri ließ das blutende Bein los, trat von dem Mann, der sich wand, herunter und wandte sich der Tür zu.
Schreie. Chaos. Die Wissenschaftler flüchteten.
»Das wird nicht lange dauern!«, rief Rictor den anderen zu. »Los.«
Sie rannten durch den Flur, Rictor vorneweg. Sie liefen, so schnell sie konnten; Füße und Tatzen trommelten auf den Betonboden, und Elena erwartete schon, dass sich ihnen jeden Augenblick irgendwelche Zombies entgegenstellten, eine Armee der lebenden, der gehirnmanipulierten Toten, was einfach lächerlich war ... ihr aber, nachdem sie gesehen hatte, wie sich Tiere in Männer verwandelten, durchaus glaubwürdig erschien. An diesem Ort war alles möglich. Es war einfach entsetzlich.
Eine Sirene gellte. A miri legte die Ohren an.
»Stufe eins«, sagte Rictor, der an einer Kreuzung von drei Fluren vorbeilief.
»Es ist die falsche Richtung«, meinte Artur. »Wir haben Sie noch nicht befreit.«
»Dafür ist jetzt keine Zeit.« Rictor blickte über seine Schulter zu Elena.
»Alle für einen und einer für alle«, sagte sie und sah Artur an. »Wo ist es?«
»Zurück und dann links.«
»Nein«, sagte Rictor, aber Elena drehte sich bereits mit Ar-tur herum. Rik starrte sie verwirrt an. Sie hörte ihn fluchen, dann folgte er ihnen. Amiri blieb bei ihnen, wachsam.
Die Tür sah ganz gewöhnlich aus. Daneben befand sich ein elektronisches Zahlenschloss.
»Vergessen Sie’s!«, zischte Rictor. »Das ist Zeitverschwendung. Ohne den Code kommt da niemand rein. L’Araignee ist die Einzige, die ihn kennt, und ihre Gedanken kann ich nicht lesen.«
Artur hob eine Braue und legte die Hand auf das Zahlenschloss. Sein Blick richtete sich in die Ferne, seine Finger tanzten, drückten Zahlen. Ein grünes Licht blinkte und sie hörten es klicken. Rictor starrte ihn ungläubig an.
»Ich bin sehr talentiert.« Artur lächelte kühl. »Jetzt können Sie sich bei mir bedanken.«
Elena öffnete die Tür. Sie war sehr schwer. Als sie in den Raum sah, bemerkte sie nur Schwärze. Keinen Boden, keine Wände. Nur ein schwarzes Tuch, das alles Licht zu schlucken schien.
»Das ist erstaunlich«, erklärte sie.
»Allerdings«, sagte Rictor. Ihm lief der Schweiß über das Gesicht. Artur sah die Gestaltwandler an.
»Haltet bitte Wache.«
Rik wollte widersprechen, aber Amiri schlug mit der Tatze gegen sein Bein. Rik sah die Raubkatze erschrocken
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